Fangen wir mit dem No-Brainer an: Die Medienbranche,
insbesondere die Verlagshäuser, befindet sich mitten in einem Umbruchprozess.
Wenn es allerdings um Konzepte geht, wie sie den digitalen Umbruch meistern und
Online (wie auch Offline) geschäftlich erfolgreicher sein und mehr Umsatz
erzielen können, ist die momentan auffälligste Idee das schwer umstrittene
Leistungsschutzrecht. Garniert mit "Paid Content kommt ganz sicher"-Bekenntnissen.
Dabei wäre Hirnschmalz und Energie in die Weiterentwicklung
von Projekten und Strukturen besser investiert. So könnte sich die Branche selbst helfen, statt offensiv dieses
Konstrukt zu verfolgen, das ein wenig so wirkt, als hätten Manager irgendwo Jeff Jarvis’
Begriff Link Economy aufgeschnappt und gnadenlos falsch verstanden (Mit für
Links zahlen hat das nämlich nichts zu tun.).
Von wegen alternativlos. Ein paar Vorschläge anbei. |
Wie im Text zu Leistungsschutzrecht:
Nicht Füllhorn für Verlage, sondern Büchse der Pandora (Langer LSR-Rant ist
lang) schon angekündigt, im folgenden einige Zeilen dazu, worin Verlage ihre
Zeit und Energie mit mehr Gewinn stecken könnten.
Legt das alte Handbuch weg
Die Forderung nach einem Konstrukt wie dem
Leistungsschutzrecht verdeutlicht eins: Die Branche klammert sich (im Großen
und Ganzen, natürlich gibt es lobenswerte Ausnahmen) an alten Konzepten fest.
Heribert Prantl hat das in seinem hervorragenden Stück über die Historie des
LSR über die letzten 175 Jahre hinweg betrachtet. So lange gibt es
entsprechende Forderungen nämlich schon. Und an der Argumentation wie der
Haltung dahinter hat sich nicht viel geändert.
Diese alte Logik wird auch in den multimedialen Raum
übertragen. Du willst mein Produkt nutzen, also zahlst du. Google zeigt unsere
Inhalte, also sollen die gefälligst zahlen.
Diese Logik lässt sich aber nicht einfach so übertragen. Das
Spielfeld und die Regeln sind anders. Was es braucht, sind tatsächlich digitale
Konzepte – und multimedial aufgestellte Marken, die ihre jeweiligen Kanäle
komplementär aufstellen und so, dass sie sich gegenseitig fördern. Es geht
weder um Konkurrenz noch darum, dass die Website so was wie die nächste
Regionalausgabe darstellt. Und bei Bezahlinhalten ist entscheidend, das
richtige Angebot zu schnüren.
Die Vergangenheit ist Geschichte. Sie stellt einen wichtigen
Referenzpunkt dar, aber sie bestimmt nicht die Zukunft. Auf den alten Gleisen
weiterfahren hilft nicht.
Erstellt und kommuniziert Multichannelkonzepte
Stellen wir die erste Weiche für den mentalen Spurwechsel: Wisst
ihr, was besser ist, als laut über die Kannibalisierung von Print durch die
eigene Online-Marke zu lamentieren? (Ja, einige Medienhäuser können hier in den
Spiegel schauen.) Dem Nutzer überhaupt mal erklären, wo die Unterschiede
liegen.
Dass der Print und Online potenziell überhaupt für austauschbar hält, liegt ja an einem eklatanten Versäumnis: So gut wie kein Medienhaus kriegt es auch nur halbwegs hin, dem eigenen Publikum klar verständlich zu machen, wie sich seine Produkte voneinander unterscheiden, wie sich die verschiedenen Kanäle zur Gesamtmarke ergänzen. Dass [Printtitel] und [Printtitel Online] nicht deckungsgleich sind, sondern unterschiedliche Profile, unterschiedliche Ausrichtungen und (bis auf wenige Übernahmen) unterschiedliche Inhalte haben, ist uns in der Branche klar. Aber nicht dem Nutzer. Der setzt sich nicht hin und vergleicht akribisch Print-Exemplar und Website. Der kennt die Impressumsangaben nicht aus dem Effeff und weiß nicht, dass [Ein ehrwürdiger Print-Redakteur] niemals für Elektro-Kopisten schreiben würde. Der sieht eine bekannte Marke und geht danach, ob er interessante Inhalte findet und das, was er sonst noch sucht.
Dass der Print und Online potenziell überhaupt für austauschbar hält, liegt ja an einem eklatanten Versäumnis: So gut wie kein Medienhaus kriegt es auch nur halbwegs hin, dem eigenen Publikum klar verständlich zu machen, wie sich seine Produkte voneinander unterscheiden, wie sich die verschiedenen Kanäle zur Gesamtmarke ergänzen. Dass [Printtitel] und [Printtitel Online] nicht deckungsgleich sind, sondern unterschiedliche Profile, unterschiedliche Ausrichtungen und (bis auf wenige Übernahmen) unterschiedliche Inhalte haben, ist uns in der Branche klar. Aber nicht dem Nutzer. Der setzt sich nicht hin und vergleicht akribisch Print-Exemplar und Website. Der kennt die Impressumsangaben nicht aus dem Effeff und weiß nicht, dass [Ein ehrwürdiger Print-Redakteur] niemals für Elektro-Kopisten schreiben würde. Der sieht eine bekannte Marke und geht danach, ob er interessante Inhalte findet und das, was er sonst noch sucht.
Anders gesagt: Wenn Leser bei einer Medienmarke Print und
Online für austauschbar halten, dann liegt das daran, dass wir ihnen verdammt
noch mal nie erklärt haben, wo die Unterschiede liegen.
In Teilen ist das historisch bedingt: Am Anfang der
Webauftritte sollte ja die Printmarke ihre Strahlkraft im digitalen Raum
entfalten. Und der Anteil übernommener Inhalte war oft hoch. Da ging es darum,
das als kongruent zu positionieren. Mit der Emanzipation der digitalen Kanäle
hat sich das aber geändert – nur hat sich keiner die Mühe gemacht, das zu
kommunizieren.
Hausaufgaben erledigen
In Teilen lässt sich diese ausbleibende Erklärung des
Multichannel-Markenkonzepts auch ganz simpel erklären: Es gibt keins.
Zumindest kein detailliertes, das klar festlegt, was welcher
Kanal macht und wie sie miteinander in Verbindung stehen. Auch hier, weil es in
Teilen schlicht gewachsene Strukturen sind und je nach Situation angeflickt und
angepasst wurde. Das mag man als organische Entwicklung verstehen, es hat nur
mit Maßarbeit nichts zu tun.
Entsprechende Konzepte wären aber notwendig, die auch
festlegen, wie sich die Kanäle ergänzen. Und Nutzer von A nach B verweisen
können. Es dürfte interessant sein, hier ein Auge auf Burdas Cover zu halten,
vom Unternehmen als medienneutrale Marke geplant, in der eine Marke über fünf Kanäle funktionieren soll – aus einem Inhaltepool gespeist. (Auch wenn es neben der guten Idee natürlich entsprechende Strukturen braucht, um zu funktionieren.)
Das kombiniert mit Verweisen auf den jeweiligen Kanälen, was es darüber hinaus auf den anderen zum gleichen Thema gäbe, schafft ein Gesamtbild. Und macht Unterschiede deutlich. Diese Verweise sollten die Wege dann kurzmöglichst halten - kein "irgendwo da drüben steht auch was dazu". (Das gilt im Übrigen in jede Richtung. Ein Printverweis auf Online im Stil von "und die anderen Bilder, die wir nicht genommen haben, findest du irgendwo auf der Website" bleibt auch weit hinter den Anforderungen zurück.)
Das kombiniert mit Verweisen auf den jeweiligen Kanälen, was es darüber hinaus auf den anderen zum gleichen Thema gäbe, schafft ein Gesamtbild. Und macht Unterschiede deutlich. Diese Verweise sollten die Wege dann kurzmöglichst halten - kein "irgendwo da drüben steht auch was dazu". (Das gilt im Übrigen in jede Richtung. Ein Printverweis auf Online im Stil von "und die anderen Bilder, die wir nicht genommen haben, findest du irgendwo auf der Website" bleibt auch weit hinter den Anforderungen zurück.)
Es geht um ein komplementäres Markenmosaik mit klaren
Verbindungen und Brücken zwischen den Teilen.
Paradebeispiel für einen sinnfrei-peinlichen Verweis von Print auf Online. Kein Mensch tippt so einen Link ab. |
Wenn mir Mobile und Online klar machen, was ich darüber
hinaus noch in Print / ePaper erhalten könnte, steigt da auch das Interesse.
Denn was bei der ganzen Kannibalisierungsdiskussion gerne unter den Tisch
fällt, ist eine ganz simple Erkenntnis: Die Reichweite der Online-Auftritte ist
höher als die der Print-Titel. Daraus folgt, dass sich diese Reichweite
durchaus gewinnbringend zum Eigenmarketing nutzen ließe. Indem man Nutzern
zeigt, was es noch gäbe.
Es geht folglich nicht darum, dass ich meinen Inhalt online "verschenke". Sondern darum, dass ich eine größere Reichweitenbühne nutze, um
ihn ins rechte Licht zu rücken, zu zeigen, was ich bieten kann.
Übernommene Print-Inhalte können hier als Schlaglicht dienen
– "das und mehr finden Sie in der gedruckten Ausgabe". Oder in einem vernünftig
gestalteten Bezahl-Bereich. Letztendlich hängen wir nicht an Trägermedien. An
Verkaufs- und Refinanzierungsstrukturen schon, aber nicht am Papier.
Damit verbunden könnte auch ein funktionierender
Paid-Content-Ansatz sein. Neben den Abo-Angeboten notwendig ist sicher auch ein
Micropayment-Ansatz – der Abruf einzelner Artikel oder das Surfen am aktuellen Tag auf schnellem,
unkompliziertem Weg. Und Micro heißt dann auch wirklich Kleinstbeträge – nicht
fünf Euro für eine Bildergalerie. (Das stellt keine satirische Überspitzung
dar, auch wenn ich mir das wünschen würde. Es ist leider ein echtes Beispiel.)
Denn natürlich brauchen Verlage Konzepte, wie sie jenseits
von Werbung mit ihren Inhalten online Geld verdienen. Aber statt Konstrukten,
die man polemisch als Einführung von Paid Content durch die Hintertür
charakterisieren könnte, sollten Medienhäuser lieber daran arbeiten, das, was
sie als Paid-Content-Konzepte anbieten, wirklich bis zum Ende durchzudenken.
Von Apple lernen, Teil 1: Man soll Leute, die einem Geld geben wollen, nicht aufhalten
Das bedeutet, sie sollten Apple nicht als Retter sehen (der
Traum ist ohnehin geplatzt), aber von Apple lernen. Was Apple und auch Amazon
konsequent richtig machen, ist simples Bezahlen. Man sollte es generell Leuten,
von denen man Geld sehen will, so einfach wie möglich machen, zu zahlen.
Simple, schnelle Prozesse sind gefragt.
Statt simpler Pay-Buttons bieten Verlage aber gern
Abokonzepte an. Klar, das ist gelernt, das kommt aus dem Kerngeschäft und ist
aus Medienhausperspektive ja auch praktisch: Der Nutzer hinterlegt brav seine
Daten und zahlt regelmäßig. Ist dann ja eigentlich auch egal, ob er die Inhalte
liest. Naja, nicht ganz – ab und an
sollte er schon klicken, damit ich ihn in der Reichweite ausweisen kann. Aber
sonst…
Nutzer wollen aber nicht erst Registrierungsformulare
ausfüllen, um an einer abgesenkten Bezahlschranke vorbeizukommen. Da braucht es
Dinge, die möglichst nah an der 1-Klick-Lösung liegen. Das verringert
gleichzeitig die Zahl potenzieller Absprungpunkte, in denen Nutzer es sich
anders überlegen. Zudem ist auch ein Sammelsurium von Pay-Optionen nötig, um
möglichst jegliche User-Präferenz bedienen zu können.
Stattdessen gibt es Abo-Optionen mit Registrier-Formular.
Unterstützung von Paypal, ClickandBuy & Co.? "Kommt dann im vierten
Quartal." Da ist der Nutzer aber schon längst weg.
Von Apple lernen, Teil 2: Lernt den Wert von Singles zu schätzen
Nein, ich will hier nicht vorschlagen, dass Verlage alle
Online-Partnerbörsen aufmachen sollen. Mir geht es um Singles im Sinne der
Musikindustrie. Die hatte zum Start von iTunes auch üble Bauchschmerzen dabei,
nicht nur Alben, sondern einzelne Songs zu verkaufen. Das ist nachvollziehbar:
Der Albenverkauf war gelernt, vor allem ließen sich so mit einigen starken
Nummern sonst eher maue Gesamtpakete schnüren und mit Preisschildern versehen.
Aber das Sträuben hat der Industrie nichts genutzt, sie mussten lernen,
einzelne Songs zu verkaufen.
Und letztendlich hat das – auch dank vernünftiger
Preisstrukturen – nicht zum Tod des Albums geführt. Weil es oft immer noch
bequemer ist oder dem eigenen Geschmack entspricht, das ganze Album zu kaufen
und darauf auch überraschende Perlen zu finden oder die Nummern, in die man
sich erst reinhören muss.
Und gute Singles können Lust darauf machen, das ganze Album
zu kaufen.
Soll heißen: Es geht darum, aus freien und kostenpflichtigen
Inhalte einen Gesamteindruck so zu komponieren, der vom Interesse und den allgemeinen
Informationen über herausragendere Stücke zu längerer, auch kostenpflichtiger
Bindung führt.
Nehmen wir das Prantl-Stück vom Einstieg. Das wurde auf
Twitter & Co. schon als Tipp erwähnt, als es nur in Print verfügbar war.
Als es einen Tag später dann online stand, wurde es entsprechend
weiterempfohlen im Netz. Ich zähle zu denen, die es via Twitter weiterempfohlen
haben. Hätte ich auch einen kostenpflichtigen Artikel verlinkt? Klar. Würde ich
– umgekehrt – einen mir aus meinem Netzwerk ans Herz gelegten Text, dessen
Teaser und Einstieg mein Interesse verstärkt, mit einfacher Bezahloption
kostenpflichtig abrufen? Durchaus vorstellbar.
Dazu muss man mir diese Option aber geben – und nicht
Inhalte möglichst gut verstecken, gar nicht erst die eigene Reichweitenbühne
nutzen, um schlaglichtartig hervorzuheben, was es sonst noch gäbe.
Dabei geht es im Übrigen auch nicht darum, ob das denn originär ein Print-Artikel ist - sondern darum, ob er gut und relevant genug ist, um Nutzer zum Zahlen zu bewegen. Dass ich immer wieder auf Print referiere, liegt daran, dass dort der Verlegerfokus liegt - und dass komplett digitale Inhalte die Reichweitenbühne von vornherein haben.
Noch mal: Lasst die Finger von dem verflixten Handbuch!
Wenn die entsprechende Bindung da ist, dann kommt der Nutzer regelmäßig vorbei, dann bedient ein Abo die Bedürfnisse beider Seiten. Es kann aber nicht der erste Schritt sein. Verlage sollten auch hier das alte Handbuch weglegen und weniger jammern, wo sie denn dann die Kundendaten her bekommen. (Ja, ich hab's genau gesehen. Keine Diskussion - weg damit!)
Denn erstens lässt sich nach entsprechender Gewöhnungsphase sicherlich ein Angebot schnüren, für das der Nutzer Daten eingeben muss. Das wird er dann auch eher tun, die Erfahrungen im Netz zeigen, dass Nutzer mit ihren Daten nicht knausern, so ihnen das Angebot entsprechend viel wert ist. Und zweitens verrät der Besucher einen ganzen Haufen über sich, auch ohne Registrierformular. Man muss nur hinsehen. Welche Bereiche er besucht, welche Inhalte er abruft, wann und woher er kommt. Das stellt alles kein Hexenwerk dar, sondern Web-Standard. Und darüber lässt sich auch fein Werbung aussteuern - die Nummer mit dem Premiumumfeld riecht nämlich auch verdächtig nach Papier.
Denn erstens lässt sich nach entsprechender Gewöhnungsphase sicherlich ein Angebot schnüren, für das der Nutzer Daten eingeben muss. Das wird er dann auch eher tun, die Erfahrungen im Netz zeigen, dass Nutzer mit ihren Daten nicht knausern, so ihnen das Angebot entsprechend viel wert ist. Und zweitens verrät der Besucher einen ganzen Haufen über sich, auch ohne Registrierformular. Man muss nur hinsehen. Welche Bereiche er besucht, welche Inhalte er abruft, wann und woher er kommt. Das stellt alles kein Hexenwerk dar, sondern Web-Standard. Und darüber lässt sich auch fein Werbung aussteuern - die Nummer mit dem Premiumumfeld riecht nämlich auch verdächtig nach Papier.
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