Eine Spielwiese zu den Themen Digitale Medien, Technologie, Social Media, Mobile, App Economy, E-Commerce, Netzpolitik und Zukunftstrends, garniert mit Analogien zum digitalen Leben. Vorsicht, freilaufender Sarkasmus.
Noten schreiben oder Musikinstrumente spielen ist nicht jedermanns Sache. Eine Installation im Luxemburger Museum Mudam lässt trotzdem jeden Teilnehmer Musik machen - besser gesagt, aufmalen. Das Projekt Looks Like Music des japanischen Künstlers Yuri Suzuki setzt dazu kleine Roboter - genannt Colour Chaser - ein, die Farben in Klänge umwandeln. Mit schwarzem Stift können die Besucher den Farbjägern ihre Reiseroute vorgeben. Und mit bunten Markierungen Töne auslösen. Der Begriff audiovisuell bekommt da gleich einen ganz anderen Dreh. Musizieren mittels Buntstift und Roboter.
Die visuelle Performance spielt für unsere Wahrnehmung von Musik ohnehin eine große Rolle, wie eine aktuelleStudie zeigt. Und nein, ich meine damit nicht Fälle wie Miley Cyrus bei den VMAs. Chia-Jung Tsay kam auf die Idee, Probanden die Gewinner von Musikwettbewerben raten zu lassen - und zwar auf Grundlage von Videoclips ihrer Perfomance ohne Ton. Interessanterweise gelang das denen besser als der Gruppe, die nur die Audiospur bekam. Das heißt nun logischerweise nicht, dass sie das bessere Spiel gesehen hätten - aber es belegt den Einfluss der sichtbaren Performance und Körpersprache, auch auf die Fachjurys. (Sie haben ja nicht bewertet, ob das die besseren Musiker waren. Sondern ob sie bei Wettbewerben gewonnen haben. Das ist nicht zwingend deckungsgleich.)
Gegen das (zu Recht) harsch kritisierte Leistungsschutzrecht läuft aktuell eine Petition beim Bundestag. Der ein oder andere wird das spätestens durch die hektischen Aufrufe zum Unterzeichnen seitens Digitalos in seinen Social-Media-Timelines mitbekommen haben. Denn die Petition ist weit von der Anzahl notwendiger Unterschriften entfernt.
Aus Gründen.
Der wesentlichste: Wäre die Petition nicht so dämlich und unnötig aggressiv formuliert, dann könnte das anders aussehen. Statt sachliche Kritik anzubringen, kotzt sie sich nämlich über die bösen Verlage aus, schwurbelt pseudojuristisch herum, erklärt ihren Gegenstand nicht verständlich.
Der blödsinnige Tonfall ist der Grund, aus dem Menschen wie ich nicht unterzeichnen. (Meine Haltung zum LSR habe ich hier, hier oder hier festgehalten.) Stammtisch-Gegröle unterschreibe ich nicht. Selbst wenn es sich gegen etwas wendet, das zu Recht kritisiert wird. Da hilft auch kein Argumentieren, dass es ja aber um die Sache gehe und die ja richtig sei. Ich setze meinen Namen nicht unter Texte, hinter denen ich nicht stehen kann.
In dieser Form leistet die Petition den LSR-Kritikern einen Bärendienst.
Denn sie rückt diese gleich in mehrerer Hinsicht in unvorteilhaftes Licht: Sie bestätigt Klischees über fehlende Diskussionskultur im Netz durch ihre dämliche Formulierung. Sie lässt aufgrund der geringen Zahl von Unterstützern das LSR weitaus unproblematischer erscheinen, als es ist.
Und sie lässt Kritik aus dem Netz als das Bellen lauter Köter erscheinen, die dann doch nicht beißen.
Ganz nach dem Motto, dass
das Zetern und Jammern für viele wieder wohlfeil war, die Bereitschaft,
mitzuwirken, aber jenseits von Like-Klicks oder kurzen Kommentaren
aufhört. Dass das Thema außerhalb dessen, was Netzgemeinde genannt wird,
keine Sau interessiert.
Das mag sogar mehr Körnchen Wahrheit enthalten, als einigen lieb ist. Es wird aber dem Thema absolut nicht gerecht. Und es kann auch die der Argumentation fähigen Kritiker imagetechnisch mittreffen.
Das Scheitern der Petition, es liegt nicht (wie Zeit Online philosophiert) daran, dass der Begriff Leistungsschutzrecht ja so viel positiver klinge als Netzsperren. Oder an Berührungsängsten mit der Piratenpartei und ihren Akteuren.
Es liegt an dem grottenschlechten Text der Petition.
Glückwunsch: Hätten die Verlage das inszenieren wollen, es hätte ihnen nicht besser glücken können.
Dieser Text hat sich nun ein wenig hingezogen. Auch musste ich den ursprünglichen Plan ändern, aber nicht ganz funktionierende Pläne und das iPhone 5, das gehört ja irgendwie zusammen. Das ursprüngliche Vorhaben, es war dieses:
Daher starte ich ein kleines Projekt: Bis zu Apples Präsentation werde
ich schön alles bookmarken, was mir an Enthüllungen präsentiert wird.
Und dann rechnen wir ab. Wie viel davon Schwachsinn war. Wie viel davon
wir seit Jahren routiniert hören.
Denn Apple-Neuvorstellungen, sie sind ein Fest für manche Schreiberlinge. (Andere von uns nervt der Hype und die Berichterstattungsschwemme inzwischen aber so richtig.) Wie die Kaufwilligen vor dem Apple Store reihen sich die Artikel aneinander, zu vermuteten Features, Prognosen, angeblich exklusiven Geheiminfos. Dann folgen Kritiken, wirtschaftliche Einordnungen, atemlose Entrüstung über nicht Funktionierendes.
Einer der Gründe, warum sich der Abrechnungstermin nun nach hinten verschoben hat, ist schlicht der: Der Anteil von Unfug, der nach der Apple-Präsentation geschrieben wurde, war dieses Mal sogar größer.
Da ist er nun, der Entwurf für das sagenumwobene Leistungsschutzrecht (LSR), die Hoffnung der Verleger. Sein Bekanntwerden letzte Woche löste eine Welle der Entrüstung und des Entsetzens im Netz aus. Bei allem gewollten Hype dabei - die Kritiker haben recht. Der Entwurf in seiner jetzigen Form wird kein Füllhorn für Verlage, aus dem sich Geld über sie ergiesst, sondern die Büchse der Pandora für die Internetriesen, Nutzer und ja, auch die Medienhäuser selbst.
Alternativlos? Nein, den Gegnern fallen sicher einige Ideen anstelle dieses LSRs ein.
Selbst für das Justizministerium und die Bundesregierung kann das noch richtig unangenehm werden aufgrund der vielen strittigen Punkte. Dabei versucht doch der Referentenentwurf klar, den Vorwurf abzuwehren, dass das LSR ein Betreuungsgeld für überalterte Geschäftsmodelle sei:
"Die Einführung eines neuen Leistungsschutzrechts darf jedoch nicht als ein gesetzgeberischer Schutz von alten, überholten Geschäftsmodellen missverstanden werden. Das neue Leistungsschutzrecht kann und soll kein Korrektiv für Strukturveränderungen des Marktes sein, auf die Presseverleger vor allem mit neuen Angeboten reagieren müssen."
Nützt nur nichts, auch wenn sich bislang der Aufschrei nicht auf den Kampfruf "Papier-Prämie" konzentriert. Es geht ja auch viel mehr um die Online-Inhalte von Medien - oder besser, um jegliche Art von Inhalten, die Presseverleger herstellen und die dann online veröffentlicht werden.
Es gibt ein paar simple Grundregeln, wenn Web-Unternehmen
ihre Sites neu gestalten:
Nach
dem Relaunch ist vor dem Relaunch
Egal
was du tust, Nutzer werden sich beschweren.
Der letzte Punkt ist inzwischen so verbreitet, dass Sites
wie das Techblog Techcrunch sogar zum Relaunch gleich eine Vorlage für wütende
Beschwerdemails mitgeliefert haben.
Ob Facebook-Chronik, potenzielle neue Facebook-Chronik,
Twitter, Google + oder Google + App: der Protest-Chor stimmt jedes Mal ein
vielstimmiges „Früher war alles besser, so wie die alte Version“ an.
Daran lassen sich ein paar interessante
Wahrnehmungsphänomene beobachten. Es gibt Gründe dafür, warum Internet-User landauf, landab zu
grantelnden Parkbank-Rentnern mutieren, wenn jemand ihre Web-Dienste umstellt.
Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner kritisiert im Handelsblatt mal wieder Facebook. Das an sich ist jetzt weder neu noch überraschend, sondern war mit Blick auf den Kalender wohl einfach wieder dran. Interessant ist aber die Einstellung, die bei der Kritik deutlich hervortritt.
Diesmal ist Facebooks neues Profil-Angebot Timeline Gegenstand der Schelte, also die neue Profilvariante, die als Chronik das Userleben abbildet. Absurd sei das Angebot, das ganze Leben als Timeline zu veröffentlichen, sagt Ministerin Aigner da.
Und spricht dann dem Handelsblatt folgendes in den Block:
"Die Aufforderung, die letzten Datenlücken im Internet schnell zu schließen, ist genau das Gegenteil dessen, was wir unter Medienkompetenz verstehen: Sparsam mit seinen persönlichen Daten umzugehen."
(In anderen Bereichen ist deutschen Politikern am Schließen der Datenlücken jedoch äußerst gelegen, etwa wenn es um die Vorratsdatenspeicherung geht. Aber geschenkt.)
Unsere Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (nach wie vor eine sehr eingängige Kombination, nicht wahr?) versteht unter Medienkompetenz also den sparsamen Umgang mit persönlichen Daten. Passt zu ihren Äußerungen, aber nicht wirklich zu dem Begriff.
Anders formuliert:
Denn Medienkompetenz heißt für mich der kompetente - sprich: fähige und befähigte - Umgang mit Medien. Duden und Wikipedia geben mir da Recht.
Medienkompetenz bezeichnet die Fähigkeit, Medien und ihre Inhalte den eigenen Zielen und Bedürfnissen entsprechend zu nutzen.
Das lässt sich so gar nicht mit "nutze das Teufelszeug möglichst wenig" übersetzen, sondern zielt auf eine bewusste Nutzung. Natürlich ist der sorgsame, bewusste Umgang mit eigenen Daten wichtig - dabei kann der User aber auch zu dem Ergebnis kommen, dass er bestimmte Informationen eben teilen und mitteilen will. Ein absolutes "Geht gar nicht" anstelle eines bewussten Auseinandersetzens und einer ebensolchen Entscheidung hat jetzt nicht unbedingt viel mit Kompetenz zu tun. Es erinnert eher an "German Angst" und eine strikte Verweigerungshaltung. Das bringt uns jetzt nicht wirklich weiter.
Ähnlich gelungen finde ich ja die erste Wortwahl. Man kann über die Timeline sicherlich einiges sagen, dass sie "absurd" sei, also sinnlos oder widersinnig, liegt jetzt aber nicht gerade nahe. Der Sinn dahinter lässt sich sowohl aus Unternehmens- wie Nutzerperspektive erläutern, bei Bedarf auch mit negativer Tonalität. Das (Mit-)Teilen von Informationen in einem Sozialen Netzwerk aber grundsätzlich widersinnig zu nennen, sagt mehr über die eigene Perspektive als das neue Angebot aus.
Dazu sei erwähnt: Zumindest bislang setze ich die Timeline nicht ein - man könnte sagen, weil sie meinen Zielen und Bedürfnissen nicht signifikant entgegenkommt. So kann ich mir etwa im allgemeinen halbwegs merken, wann ich geboren bin, und habe kein gesteigertes Interesse daran, nachzuvollziehen, was ich am 21. März 2009 gemacht habe. Gleichfalls interessiert mich bei meinen Facebook-Freunden nicht, wann sie sprechen und laufen gelernt haben. Was aber nicht grundsätzlich bedeutet, dass die Timeline sinnlos wäre oder nicht bestimmen Zwecken diente.
Das interessante an Timeline ist der Zusammenhang mit dem Open Graph, aber noch passiert da in Deutschland nicht die Welt. In dem Kontext (oder wenn ich Lust habe, mich mit der Umstellung rumzuschlagen) könnte sich dann auch meine Haltung ändern.
(Unabhängig davon wäre es, falls man Jeff Jarvis irritieren will, lustig, via Mobile-Check-in jeweils den Saunabesuch auf Facebook zu verkünden.)
Aigners letzter Punkt, besserer Datenschutz auf europäischer Ebene, ist dagegen gar nicht verkehrt. In dem Sinn, dass hier einiges an Klärungsbedarf existiert. Nur würde das in ihrer Auseinandersetzung mit Facebook erst mal keinen Unterschied machen - Facebook bezieht sich ja meist nicht auf amerikanisches, sondern auf irisches Datenschutzrecht. Vor einem für den Binnenmarkt geltenden europäischen Datenschutzrecht steht ohnehin einiges an Gesprächs- und Harmonisierungsbedarf. Und wieweit dass ihr Job ist und nicht der von Brüssel, Innenminister Friedrich sowie den diversen deutschen Datenschützern, steht dann auch noch im Raum. Gleichwohl: Ja, an dem Thema muss grundlegend gearbeitet werden. Aber bitte mit einem Leitbild von Medienkompetenz, das mehr mit, wie soll ich sagen, Kompetenz zu tun hat.