Samstag, 30. November 2013

Querverweis - Der Jugendwahn im Netz

Drüben im Kontakter-Blog hab ich mal was über die Fokussierung auf Digital Natives und den Jugendwahn im Netz geschrieben. Darüber, dass viele Marken jung, hip und dynamisch sein wollen, Teenager vermutlich nicht alles besser wissen und es schlimmeres gibt, als für die Justin-Bieber-Zielgruppe uncool zu sein.

"Marken im Netz, die meisten Startups und viele Internetunternehmen versuchen sich an etwas, an dem schon Generationen von Eltern gescheitert sind: Teenager verstehen. Der Digital Native, das unbekannte Wesen. Aus den Bewegungen der Jugendlichen versuchen sie, Trends und Erfolgsmodelle abzuleiten. Das nächste große Ding zu finden. Umgetrieben von der Angst, nicht mehr cool zu sein, die Kunden von morgen zu verlieren."
"Aber stimmt das? Sind die Digital Natives die Kunden von morgen?"

Mehr hier.

Dienstag, 26. November 2013

Invisible Girlfriend - Falsche Freundin aus dem Netz

Man könnte jetzt einige Vermutungen anstellen, warum bei den Pitch-Wettbewerben von Tech Meetups oder Startup Meetups gerne mal die "antisozialen" Ideen gewinnen. Übersättigung mit Social Media? Ironischer Kommentar? Oder ein signifikanter Anteil von Klischee-Nerds, die gesellschaftliche Aktivitäten eher als lästigen Zwang betrachten? 

Jedenfalls gewann den Wettbewerb beim Startup Weekend St. Louis ein Projekt, das voll auf der Linie des vollautomatisierten Foursquare-Münchhausens CouchCachet liegt: Invisible Girlfriend. Ein kostenpflichtiges Angebot, Singles eine imaginäre Freundin zur Verfügung zu stellen (Der imaginäre Freund ist auch in Planung, keine Sorge). Damit sie dieses lästige Dating los sind und vor allem die nervigen Fragen von Kollegen, Bekannten und Familie. Ich mache hier keine Witze, das ist das Konzept:

"So you can get back to living life on your own terms." Screenshot.

Gestaffelt nach Paketen gibt's dann interaktive SMSe, automatisierte Anrufe, ein Facebook-Beziehungsstatus-Update und in der Premium-Variante die "Custom Girlfriend Characterization". (Da lässt sich als Geburtsort dann sicher auch Stepford angeben.)

Die Zielsetzung des Ganzen gibt Gründer Matt Homann bei Riverfront Times so an:

"We're not trying to build a girlfriend they can believe in -- that's a whole other level of technology," says creator Matt Homann. "We're giving them a better story to tell, even if the story isn't true."

Die Absurdität dieses Ansatzes verdeutlicht ganz gut, dass ein ähnliches Konzept in der Arnold-Schwarzenegger-Komödie Last Action Hero auftaucht: Im Lauf des Films stellt sich raus, dass die nervigen Anrufe von seiner Ex-Frau, auf die er mit vorbereiteten Tonbändern reagiert ("Aha", "ja", "hm","ja, da hast du recht"), gefakt sind - er jemanden dafür bezahlt, ihn anzurufen, damit er den Kollegen gegenüber cooler wirkt.

Wenn die eigene Geschäftsidee als Scherzszenario in einer Schwarzenegger-Komödie vorgekommen ist, sollte man kurz innehalten.

Dienstag, 12. November 2013

Netzespresso: Goldidee mal anders - Wie die Agentur Rethink für eine Cannes-Löwen-Schwemme sorgt

Mit preisgekrönten Werbearbeiten ist das so eine Sache. Immer wieder reichen Agenturen die berüchtigten Goldideen ein - Projekte, die eigentlich nur besonders kreativ und preiswürdig sein sollen, um Awards abzustauben. Ob sie dem Kunden was bringen, ist eher nebensächlich. Hauptzweck ist eine Trophäe mehr in der Vitrine und auf der Referenzenliste.

Die kanadische Agentur Rethink hat den Prozess jetzt abgekürzt. Warum aufwendige Ideen und Konzepte entwickeln, nur um ein paar Preise mehr auf dem Tisch stehen zu haben? Wenn's nur um die geht, kann man auch gleich die drucken. 

Also haben die Kanadier den 3D-Drucker angeworfen und sich ein paar Goldlöwen gemacht. 811, um genau zu sein. 

Die Agentur mit den meisten Cannes-Löwen, frisch aus dem eigenen 3D-Drucker. Screenshot.

Das Löwenrudel hat in den Agenturbüroräumen Gesellschaft von hunderten anderer Preise, mit denen sie ebenfalls dekoriert haben. Ein augenzwinkernder, ironischer Kommentar zum Award-Wesen. Denn manchen Ideen geht es wirklich nur darum. Und das Löwen-Hamstern bei den Media Lions in diesem Jahr zwang das Cannes Festival sogar zu einer offiziellen Stellungnahme aufgrund der schieren Anzahl von Agenturen, die für sich Löwen in Anspruch nahmen, weil sie an einem Projekt auch nur irgendwie beteiligt waren. (Über die Löwen-Druckerei dürfte das Festival aber auch nicht gerade glücklich sein, da kann in Toronto und Vancouver noch ein Brüllen aus Cannes ankommen.)

Montag, 4. November 2013

Perlen und Glasperlen, Fische und Angler - Vom Wert der Multimediareportagen

Manchmal ist es schon lustig. Da spricht Zeit-Online-Chefredakteur Jochen Wegner Anfang letzter Woche noch darüber, dass sich die multimedialen, interaktiven und animierten Erzählelemente, wie sie Multimediareportagen wie Snowfall oder Stalinallee einsetzen, auch hervorragend für Features eigneten, um komplexe Zusammenhänge zu erklären, und dass das ein noch unterschätzter Hebel im Onlinejournalismus sei. Und am Freitag legt der Guardian quasi wie bestellt NSA Files: Decoded vor. Ein Multimedia-Feature, das für Nutzer die komplexe Thematik mit Text, Videos, Grafiken und Animationen aufbereitet, versucht, es für jeden greif- und begreifbar zu machen.

Der Guardian illustriert, was Multimediafeatures leisten - und welche Probleme auftreten können.


Also folgt nach Text 1, 2 und 3 über Multimediareportagen im Onlinejournalismus jetzt halt noch der vierte binnen einer Woche.

Aber fangen wir etwas weiter vorne an, die Zeilen oben sind eher ein innerer Monolog als ein Texteinstieg.

Beim Thema Zukunft des Journalismus und der Frage, was der Onlinejournalismus an neuen Möglichkeiten bietet (die Menschen dann vielleicht auch Geld wert sind), stechen eine Reihe von Leuchtturmprojekten aus dem Nebel heraus, in dem wir unseren Pfad suchen. Multimedia-Reportagen, die aufwendig Text, Video, animierte Elemente und Visualisierungen verbinden, um Geschichten zu erzählen. Sie stechen heraus, weil sie sichtbare, griffige Beispiele darstellen, nicht zwangsläufig, weil sie wegweisend sind. Einiges davon führt aber schon auf richtige Pfade. Meist dient als Referenz und Kürzel für diese Multimediareportagen das Projekt Snowfall der New York Times.

Es gehört ja zu den Eigenarten von Debatten über die Zukunft des Journalismus, dass die NYT als leuchtendes Beispiel und Vorreiter herhalten muss, eine Art Steve Jobs der Medienwelt. In vielen Fällen auch zurecht, aber sie sind nicht die einzigen, die sich an derartigen Dingen versuchen. Und gerade aufgrund ihrer herausgehobenen Stellung nicht das beste Beispiel, weil sich hier gesammelte Erfahrungen nur begrenzt auf andere Titel übertragen lassen.