Dienstag, 29. November 2011

Nokia Lumia 800: Wenn aus prognostizierten 2 Millionen verkauften Stück 400.000 werden

Neuestes Spiel der Analysten im Mobilfunkbereich scheint das Runterstufen von Prognosen zu sein. Vielleicht wollen sie ihren Kollegen in den Rating-Agenturen den Spaß ja nicht allein lassen.

Jedenfalls wurden - wie sich etwa beim Guardian nachlesen lässt - inzwischen aus den mal von Unternehmen wie Pacific Crest fürs Weihnachtsgeschäft prognostizierten 2 Millionen verkauften Exemplaren von Nokias neuem Smartphone Lumia 800 weniger als 400.000.

Aua.

Das ist vermutlich für Analysten weitaus peinlicher als für Nokia und Microsoft (das Lumia ist das erste Nokia-Phone mit Windows Phone 7). Dennoch sind diese Zahlen - so sie zutreffend sind - vom großen Wurf und dem Befreiungsschlag weit entfernt. Was mich jetzt nicht überrascht, meine Meinung zu dem Thema habe ich hier schon im Post Microsoft, Nokia und das hoffnungslose Erfolgsprodukt Windows Phone 7 zum Besten gegeben. Das Lumia 800 kann und wird den Smartphone-Markt nicht aufrollen.

Natürlich muss der Verkauf des Lumia erst noch anlaufen und die Kinderkrankheiten beseitigt werden. Und Marktanteile entstehen nicht über Nacht. Im Weihnachtsgeschäft hier aber entsprechend wenig punkten zu können, muss so und anders wehtun. Immerhin 16 Prozent der Deutschen haben laut Bitkom fürs Fest Smartphones oder Handys auf der Geschenkeliste. Von denen wird keiner sein neues Gerät angewidert in sechs Monaten wegschmeißen und freudejauchzend ein Lumia erstehen.

Und mit Blick auf die Marktanteilsentwicklung von Nokia ist es geradezu putzig, trotzig zu verkünden, dass sich das Lumia in Großbritannien in der ersten Woche besser verkauft habe als alle anderen Nokia-Smartphones in der jüngeren Vergangenheit.

Das kann ja schließlich nicht weiter schwer sein.

Sonntag, 27. November 2011

Augmented Reality über Kontaktlinsen - Das Netz auf der Netzhaut

Ein Team amerikanischer Wissenschaftler lässt Kaninchen "Ich sehe was, was du nicht siehst" spielen. Genauer: Sie haben an ihnen eine Kontaktlinse für Augmented Reality getestet. Also eine Linse, die zusätzliche digitale Elemente ins Sichtfeld einblenden kann.

Zugegebenermaßen eine, die bislang einen ganzen Pixel zustande bringt. Und noch ist auch nicht praktisch geklärt, wie aus den Pixeln ein tatsächlich fokussierbares Bild entstehen soll. Trotzdem ist es ein erster Mosaikstein für die Szenarien, die Wissenschaftler wie Michio Kaku entwerfen: Das Netz auf der Netzhaut, die komplette, bruchlose Verdrahtung mit dem Web via Augmented Reality als Teil unseres Alltags. Direkt ins Sichtfeld schwimmende Google-Suchergebnisse zu meiner Umgebung durch ein Zwinkern.

Wie das aussehen könnte, hat er The Daily erzählt:


Das mit der Kontaktlinse hat The Daily auch vertextet: Hier.

Man sollte dazu wissen, dass sich Kaku auf einen Zeitraum innerhalb der nächsten 20 Jahre bezieht. Und dabei so weit extrapoliert, dass er eigentlich auch sagen könnte, mit einem Augenverdrehen lassen sich dann auch Zusatzinformationen zu den an mir vorbeifliegenden Schweinen abrufen.

Interessant ist das Thema und der Kontaktlinsentest trotzdem, als Schritt hin zu Szenarien, wie sie etwa die Science-Fiction-Autoren Warren Ellis in Doktor Sleepless nebenbei oder Charles Stross als wesentlichen Teil in Halting State und Rule 34 verwenden. Wer Stross nicht aufgrund seiner Bücher kennt, dem ist er in der letzten Zeit unter Umständen durch seine Sezierung von Klout begegnet.

In der Welt von Halting State und Rule 34 jedenfalls sind Displaybrillen, über die jeder ständig in verschiedenen Layern via Augmented Reality Zusatzinformationen zur Welt um ihn herum bekommt, völlig normal. Da dient dann auch mal der Coffeeshop als Büro, weil der digitale Papierkram genausogut von da erledigt werden kann, Polizisten sehen neben jedem Klingelschild die Akte der betreffenden Person und Smartphones haben verschiedene Personas für den beruflichen oder dienstlichen Gebrauch. Die erweiterte Realität wird so im Wortsinn Teil der Wirklichkeit, des Normalen.

Halting State ist auch ansonsten lesenswert, aber gerade das Szenario finde ich interessant - und wie darin dargestellt wird, welche Auswirkungen diese Technik auf Alltag und Gesellschaft haben würde. Für mich eine durchaus faszinierende Frage. Unabhängig davon, inwieweit man glaubt, dass es so kommen wird oder was man davon hielte.

Vor einigen Jahren hat auch kaum einer ernsthaft geglaubt, dass wir alle mit Smartphones rumrennen werden und jederzeit über ein Gerät in der Hosentasche mit dem Internet verbunden sind. Wir sind noch mittendrin, die Auswirkungen dessen zu erkunden - auch, weil dieser Prozess noch lange nicht abgeschlossen ist.

Wobei Displaybrillen mir zum einen naheliegender erscheinen und zum anderen auch lieber wären als Kontaktlinsen.

Vielleicht sehen Kaninchen das aber anders.

Mittwoch, 23. November 2011

Zwergenaufstand? 2011 laut Studie ganze 1,2 Mio Nicht-Apple-Tablets in den USA verkauft

Bei allem Gerede über die Konkurrenz für Apples iPad durch den Wildwuchs an Android-Tablets und anderen Spielarten müssen diese Zahlen niederschmetternd sein: Einer Studie der NPD Group zufolge (keine Marschierer, sondern Marktforscher. Ruhig bleiben.) wurden in den USA von Januar bis Oktober ganze 1,2 Millionen Tablets verkauft, die kein Apple-OS hatten. Also Android, webOS und Konsorten.

Kleine Vergleichszahl: Apple hat im Septemberquartal weltweit 11 Millionen iPads verkauft. Als das iPad 1 startete, gingen binnen 80 Tagen 3 Millionen Stück weg.

Anders gesagt: 1,2 Millionen für die versammelte Konkurrenz ist nicht gerade beeindruckend.

Noch spannender wird der Blick darauf, wer hier am meisten verkauft: NPD zufolge ist es HP. Mit 17% Anteil liegt also das TouchPad durch rund 204.000 verkaufte Exemplare knapp vor Samsung mit 16% respektive 192.000 Stück.

Zum Mitschreiben: Das eigentlich eingestellte und dann billig verramschte TouchPad wäre damit in den USA das erfolgreichste Tablet nach dem iPad. (Liebe Hersteller, zum x-ten Mal: iPad am Preispunkt angreifen. Danke.)

Der Rest der Top 5 verkauft dann gerade noch sechsstellige Stückzahlen (Asus auf Platz 3 mit 120.000, bei Motorola und Acer bleiben je rund 108.000 hängen).

Licht am Ende des Tunnels sieht NPDs Vice President of Industrial Analysis Stephen Baker zum einen durch den deutlichen Wachstumstrend in den Verkaufszahlen, zum anderen in der Tatsache, dass drei Viertel der Nicht-iPad-Käufer auch nie über das iPad nachgedacht haben.

Das kann man zwar so sehen, dass es ein Marktpotenzial von Kunden gibt, die dezidiert etwas anderes als ein Apple-Produkt wollen (was sicher richtig ist). Andererseits heißt das aber auch, dass Cupertino streng genommen nicht mal 300.000 Kunden abgejagt wurden. Wer überhaupt kein iPad will, hätte keins gekauft und stellt damit auch keinen verlorenen Kunden dar. Im Gegenteil: Der Großteil der Android-Tablet-Käufer tritt nur wegen dieser Alternativen in den Markt ein.

Das wiederum hieße, dass sich die Tablets mit Android & Co. hauptsächlich gegenseitig Konkurrenz machen und Amazons Kindle Fire sich mit Blick auf die Vorbestellungen locker an die Spitze des Rankings nach Verkaufszahlen setzen dürfte. Dazu, dass meiner Meinung nach der Fire ohnehin eher Konkurrenz für andere Android-Tablets als das iPad darstellt, habe ich mich schon einmal hier ausgelassen.

Nun sind die Zahlen fürs erste mit gewisser Vorsicht zu genießen. Zum einen fehlen offenbar Geräte wie das Nook, zum anderen würde diese Zahl verglichen mit den von Google genannten 6 Millionen Android-Tablets weltweit heißen, dass außerhalb der USA doppelt so viele Android-Tablets verkauft werden müssten wie innerhalb. Sobald ich näheren Einblick in Datengrundlage und Methodologie genommen habe, werde ich mich dazu noch mal äußern.

Eine andere spannende Erkenntnis aus der Studie bleibt aber bestehen: Apple ausgenommen sorgten Tablet-Verkäufe für 415 Millionen Dollar Umsatz in den USA. Insgesamt verzeichnen die Marktforscher für das Nicht-iPad-Segment 700 Millionen. Ein Drittel des Umsatzes entfällt auf das Accessoire-Geschäft - Taschen, Hüllen, Bildschirmfolien und so weiter. Das ist also ein durchaus lohnendes Business.

Montag, 21. November 2011

Mobile Web: Wie man es nicht machen sollte

Eine Situation, die die meisten Smartphone-Nutzer gut kennen: Der Klick auf einen Link oder das Eintippen einer Adresse führt sie nicht dahin, wo sie hin wollen, sondern voll in den Wald aus Landing Pages, App-Werbung und brachliegendem Flash-Weißraum.

Mit WTF Mobile Web gibt es jetzt einen eigenen Tumblr-Blog, um solche Ausrutscher zu dokumentieren. Eine Galerie der Browser-Schrecken. Das Material wird ihnen nicht so schnell ausgehen. Denn immer noch lenkt der Klick auf Links bei Facebook, Twitter & Co. gerne nicht auf den eigentlichen Inhalt, sondern die Mobile Landing Page oder die Info-Seite zur App. Warum auch das mobile Szenario dafür nutzen, dass der Mobiler gleich beim Artikel, dem Produkt oder der sonstigen Information landet, wenn man ihn stattdessen auf große Erkundungstour der eigenen Site schicken kann.

Sollte es nicht an der Umleitung scheitern, gibt es immer noch die Möglichkeit, bei der Gestaltung der Mobile-Startseite die Balance zwischen Content-Menge und Übersichtlichkeit so zu gestalten, dass auf einer Seite der Wippe ein Elefant sitzt. Also entweder alles zuzupflastern oder außer dem schlanken Login-Fenster rein gar nichts anzubieten.

Auch großes Kino: Unternehmen verweisen für Mobilzugriffe auf Seiten, die Null, aber wirklich Null mobiloptimiert sind. Stattdessen vollgestopft mit Navigationselementen, kaum brauchbar auf kleinen Displays in lesbare Größe skalierbar und am besten noch mit Flash.
Flash hat auf einer Mobile Site nur dann was zu suchen, wenn man iOS-Nutzer explizit von ihr fernhalten will.

Zu guter Letzt besonders lustig sind dann die Experten, die einen via QR-Code oder anderen Marker auf ihre normale, nicht wirklich mobile-geeignete Website schicken und sich wundern, warum die Maßnahme nichts bringt.

Donnerstag, 17. November 2011

40 Jahre später: Fear and Self-Loathing in Las Vegas

40 Jahre nach Hunter S. Thompsons Fear and Loathing in Las Vegas hat Zach Baron sich in Thompsons Fußstapfen begeben und ist nach Vegas geflogen. Heraus kam eine Spurensuche nach und Reflektion über Thompson, das neue Las Vegas als Glitzerspiegel unserer Zeit und die Realität des American Dream.

"Fear and Self-loathing in Las Vegas" ist das bislang beste Stück, das ich bei The Daily gesehen habe. Mit deutlichem Abstand.

Allein die Schreibe ist großartig und eine gelungene Hommage.

"Writers only go to Las Vegas for one reason, really. It is our World Series of Poker, except more pretentious."

"Pitching stories on the American Dream is what writers do when their hearts are empty, their minds blank. It is the equivalent of stalling for more time, throwing a Hail Mary down eight with time expiring, a way to mark your commitment and plucky optimism before admitting defeat and moving on to something with an actual chance of success."

Fear and Self-Loathing in Las Vegas


Die Art, wie er die Stationen des Buchs in der Gegenwart widerzuspiegeln versucht - Autorennen für Autorennen, Casino für Casino, Hacker-Konferenz für Anwaltstreffen - ist wirklich unterhaltsam.

Und die Reflektion über Thompson, den Entstehungsprozess des Buches Fear and Loathing und die Frage, ob das abgewrackte Vegas die amerikanische Realität statt des amerikanischen Traums verkörpert, machen den Text allesamt lesenswert.

(Was das mit Nullen und Einsen zu tun hat? Äh, hm, es... ist die Reflektion eines Online-Mediums über einen popkulturell wichtigen Text und steht online? Ach, lasst mich doch in Ruhe. Bei dem Thompson-Archiv auf Playboy.com hat mich das schließlich auch nicht gestört.)

Montag, 14. November 2011

Catvertising oder Katzen-Content galore

Mir ist aufgefallen, dass dieser Blog bislang kriminell unterversorgt ist mit Katzen-Content.

Daher: Catvertising - der neue Werbetrend!
Wieso komplexe Werbeformate entwickeln, wenn es doch Katzen-Clips gibt.

"No one wants to see ads anymore. They want cat videos."



Grandios gemachte Satire.

Die neben der üblichen Trend-Hinterherhechelei auch wunderschön die Faszination mit Katzen-Content aufspießt. Denn wir wissen ja: Das Internet ist eine hochentwickelte Technologie zum Austausch von Katzenbildern und -Clips.

Man denke nur an den Erfolg von I Can Haz Cheezburger oder auch Sascha Lobos Analyse, welche Art von Content die Startphase von Google+ dominiert hat. Und als Mem taugt Katzen-Content eh.

Insofern ein absolut Nullen-und-Einsiges Thema - und ideale Gelegenheit, hier den bislang fehlenden Katzen-Content nachzuliefern.

Wo die Realität den Witz einholt:

Die Agentur John St. ist im Übrigen echt, die im Video mitspielenden Leute auch. Warum die das machen? Erstens gehören schräge Ideen in einer Werbeagentur dazu. (Ihre Whisky-Werbespots etwa sind auch gemein lustig.)

Zweitens: Der Clip hat sechsstellige Abrufe auf YouTube - Ihr Projekt-Reel und alles andere im eigenen Agentur-Account bringt es nur auf vierstellige Werte. Und spätestens jetzt wisst auch ihr, dass es John St. gibt. Als Werbung oder Marketing in eigener Sache also eine erfolgreiche Aktion.

Das wiederum läge voll auf der Linie des Videos, was die Effektivität von Katzen-Content gegenüber anderer Werbung angeht.

Mittwoch, 9. November 2011

Content teilen Mittwochs um halb zehn

Zum fünfjährigen Bestehen hat der Content-Sharing-Service AddThis mal eine Infografik übers Teilen gebaut.

- Bester Tag zum Seeden ist demnach der Mittwoch,
- Beste Uhrzeit (in den USA zumindest) 9.30.
- Und via Copy & Paste wird immer noch bis zu zehn Mal mehr geteilt als über die Armee von Buttons, die es inzwischen gibt.

AddThis 5 Year [Infographic]

(In voller Schönheit hier.)

(Via Searchengineland.com)

Montag, 7. November 2011

Livestand & Co: Inhaltekiosk statt Zeitschriftenregal

Eins zeigt Yahoos Präsentation ihres Digital-Magazins Livestand schon mal deutlich: Das mit dem Medienhaus meinen sie ernst. Und: Das Segment um Flipboard und Co. wird spannender. Was ich gut finde, denn das Konzept dahinter hat durchaus Potenzial.

Livestand reiht sich ein in die Galerie von Aggregator-Apps, die aus Inhalten verschiedener Quellen auf die jeweiligen Nutzer zuschneidbare digitale Magazine / Zeitungen bauen.
Neben Flipboard besetzen dieses Segment Angebote wie Zite, Pulse oder AOL Editions – die letzten beiden gibt’s für deutsche User nicht. Livestand auch noch nicht, aber das kommt 2012.


(Bild: Business Wire)

Nach den ersten Eindrücken zu schließen (testen ließ es sich ja noch nicht), macht die Jodel-Truppe dabei einiges richtig. Etwa, den Hebel der eigenen Inhalte-Partner einsetzen – ABC und Forbes klingt schon mal nicht verkehrt – und vor allem, ein potenzielles Geschäftsmodell unterziehen.

Mit den Rich-Media-Werbeformaten und den "interaktiven Ads", die auf User-Engagement setzen, gibt es nämlich gleich von vornherein Möglichkeiten, mit dem Ding auch Geld zu verdienen – etwas, an das sich beispielsweise Flipboard gerade erst herantastet. Dem Nutzer ist das natürlich schnurz, aber für die Inhalteanbieter, die Publisher, ist es wichtig - und damit für die Sicherung des inhaltlichen Angebots. Vermarktungserfahrung hat Yahoo ja. Und über verschiedene Inhaltekategorien und Titel hinweg lassen sich natürlich hübsche Targeting-Profile aufbauen.

Den Bildern nach stimmt auch die Optik – Livestand kommt magazinig daher, ansprechend, nicht als Bleiwüste.

Das Konzept der individuellen Magazine an sich hat durchaus Charme, insbesondere für News-Junkies und andere Infovoren. (Jeder aus meinem Branchenfeld kann hier mal kurz winken. Ja, das sind wir.)

Anstelle des RSS-Readers oder auch seiner etwas dekorativeren Vettern wie Google Reader (alte Edition) oder Feedly kommt das ganze entspannt-magazinig daher – die iPad-Zeitschrift für den Couchtisch. Und die Couch ist ja eh ein wichtiges Nutzungsszenario für Tablets. Bequem durch eine Auswahl von Info-Quellen blättern, die sich noch dazu auf die eigenen Interessen anpassen lässt und durch zunehmende Verwendung besser ausgesteuert wird, das hat schon seinen Witz. Und ist bequemer, als sich am Rechner durch die eigenen Bookmarks und Favoriten zu fräsen. Als Nutzer ist ein iPad-Aggregatormagazin angenehm unkompliziert. Mit einer guten Aussteuerung dahinter sollte sich zudem der Anteil der Inhalte, die man auch wirklich lesen will, erhöhen. Aus dem Profil und dem Leseverhalten lassen sich ja schließlich Rückschlüsse ziehen. Innerhalb eines thematischen Segments fällt dann auch der Weg zu neuen Quellen deutlich kürzer aus. Er führt den Leser über Themen und Inhalte, nicht über Marken, mit denen er sich noch nicht beschäftigt hat.

Ein paar Haken hat es natürlich auch:
Zum einen muss eine entsprechende Auswahl an Publisher-Inhalten verfügbar sein. Das hängt wiederum schwer damit zusammen, was man diesen anbieten kann. Flipboard, bei dem (bis auf Querschnitts-Topics) jede Marke ihren eigenen Bereich mit ihren eigenen Inhalten enthält, in denen sie auch Unterbrecher-Anzeigen platzieren können, geht einen markenfokussierten Weg - auch wenn die Auswahl an Inhalten und Partnern spannender sein könnte. Zite hingegen, das in eigenen einstellbaren Themenrubriken alle auf einmal bündelt, hat nicht zu knapp Post von Medienhausanwälten erhalten. Marken wollen sich ja selbst verlängern und nicht im Wust untergehen. (Für Leser ist die so entstehende inhaltegetriebene Auswahl aber durchaus reizvoll.) Da Yahoo Publishern ihre eigenen Bereiche lässt, sollte das bei Livestand unproblematisch sein.

Zum anderen:
Das Thema "Individuell zugeschnittene Inhalte" ist bei weitem nicht trivial. Wie fein und genau hier Algorithmus (und menschlicher Kurator) für eine passende Auswahl sorgen, ist die Krux. Schließlich muss der Fokus so eingestellt werden, dass die Inhalte für den Leser nicht zu breit werden und er trotzdem noch die neuen, unerwarteten Dinge erfährt, die er nicht im Blick hat.

Medienhäuser sehen die Aggregatoren-Apps mit gemischten Gefühlen, oft genug überwiegt die Skepsis. Verständlich, schließlich herrscht die Furcht, dass dann ein anderer mit meinen Inhalten Geld verdient. Über vernünftige Partnerschaftsmodelle sollte sich das aber lösen lassen. Das gilt auch für das Thema Markenpräsentation. Der Kiosk-Besitzer oder Grossist darf ja auch mitverdienen (auch wenn gewisse Verlage hier Einwände erheben).

In der allgemeinen Zielgruppe fahren Publisher mit eigener Plattform (als App oder Mobile Site) vielleicht besser, da eine aktuelle PEW-Studie ja zeigt, dass etablierte Marken auch auf dem Tablet Leser zu sich ziehen. Das Segment der Infovoren ist bei Tablets aber nicht nur stark vertreten, sondern auch als Zielgruppe interessant. Und die Präsenz im Aggregator kann insbesondere Marken aus der zweiten Reihe neue Leser zuspielen, die erst beim Blättern im Inhaltekiosk auf sie aufmerksam werden.

Der eine Weg schließt den anderen nicht aus.
Es gibt ja auch genug Titel, die sich nicht nur über Abo, sondern auch über Kiosk & Co. vertreiben lassen.

Mit immer mehr Playern in diesem Markt - der gewöhnlich gut informierten Kara Swisher zufolge steht diese Woche der Start von Googles Aggregatoren-App (Codename Propeller) an - sollten sich Medienhäuser mit dem Modell beschäftigen. Sinnvoller als der nächste PDF-Kiosk ist es allemal.

Mancher Medienmensch rümpft auch die Nase, weil sich dann ein Algorithmus einbildet, die journalistische Funktion der Selektion zu übernehmen. Was hierzu gesagt sein soll: Der Algorithmus ersetzt uns nicht. Er ändert an der Rolle des Journos nichts. Wir sind immer noch Gatekeeper.

Nur das wir schon lange nicht mehr der Gatekeeper sind, der hübsch aufpasst, dass keines der Schafe über den Zaun springt. Das wäre eh ein seltsames Verständnis. Wir stehen vielmehr am Schleusentor und fischen das aus dem Meer an Informationen heraus, das wir für unsere Leser für relevant halten. Plural. Wir schreiben für Zielgruppen, nicht für Einzelne (so schlimm geht’s Print dann doch noch nicht.) Das heißt, wir schreiben für die Interessen eines Amalgams. Es ist völlig normal, dass sich der einzelne Leser danach das herauspickt, was ihn interessiert. Oder wann habt ihr das letzte Mal eine Zeitung komplett von vorne bis hinten gelesen? Journalist und Algorithmus ersetzen sich nicht, sie ergänzen sich.

Es ist schon jetzt so, dass sich jeder aus seinen Medien in Print, Online und anderswo seinen Mix zusammenstellt – unterstützt vom Social Graph und anderen Faktoren. Eine Aggregatoren-App macht das einfacher. Wichtig ist, dass sie die Tore nicht zu weit zu macht. Denn das Problem jedes nachfragebasierten Modells ist: Ich kann nur das nachfragen, was ich kenne.

Wichtiger Teil des Journalismus ist es aber auch, auf die Sachen zu verweisen, die sonst eben untergehen.

Freitag, 4. November 2011

The Rum Diary: Playboy stellt seine gesammelten Hunter S. Thompson Texte online

Neuer Link für das alte Argument, dass man(n) sich für den Playboy wegen der Texte interessiert: Als Promo für den Johnny-Depp-Film The Rum Diary hat die Hasenmarke in ihren Archiven gegraben und ihre gesammelten Texte von und über Hunter S. Thompson online gestellt (der hat das Buch geschrieben. Die Vorlage zu Fear and Loathing in Las Vegas damals auch).


Sind ein paar interessante Einblicke in Leben und Werk des Anarcho-Schreibers und Erfinder des Gonzo-Journalismus dabei.

Etwa das "freewheeling interview" mit Fragen an ihn wie
"PLAYBOY: Today must be Thursday, because already this morning you’ve had two bloody marys, three beers and about four spoons of some white substance and you’ve been up for only an hour. You don’t deny that you’re heavily into drugs, do you?"

Oder auch der Briefverkehr, in dem ernsthaft über den möglichen Spesenrahmen für "Mann verwandelt sich in Werwolf"-Geschichten diskutiert wird.

Nicht so spektakulär wie sein Bewerbungsschreiben, aber trotzdem interessant.

Wie man allerdings satte sieben Monate an dem Interview schrauben kann, ist mir einigermaßen unklar.