Diesmal ist Facebooks neues Profil-Angebot Timeline Gegenstand der Schelte, also die neue Profilvariante, die als Chronik das Userleben abbildet. Absurd sei das Angebot, das ganze Leben als Timeline zu veröffentlichen, sagt Ministerin Aigner da.
Und spricht dann dem Handelsblatt folgendes in den Block:
"Die Aufforderung, die letzten Datenlücken im Internet schnell zu schließen, ist genau das Gegenteil dessen, was wir unter Medienkompetenz verstehen: Sparsam mit seinen persönlichen Daten umzugehen."(In anderen Bereichen ist deutschen Politikern am Schließen der Datenlücken jedoch äußerst gelegen, etwa wenn es um die Vorratsdatenspeicherung geht. Aber geschenkt.)
Unsere Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (nach wie vor eine sehr eingängige Kombination, nicht wahr?) versteht unter Medienkompetenz also den sparsamen Umgang mit persönlichen Daten. Passt zu ihren Äußerungen, aber nicht wirklich zu dem Begriff.
Anders formuliert:
Denn Medienkompetenz heißt für mich der kompetente - sprich: fähige und befähigte - Umgang mit Medien. Duden und Wikipedia geben mir da Recht.
Medienkompetenz bezeichnet die Fähigkeit, Medien und ihre Inhalte den eigenen Zielen und Bedürfnissen entsprechend zu nutzen.
Das lässt sich so gar nicht mit "nutze das Teufelszeug möglichst wenig" übersetzen, sondern zielt auf eine bewusste Nutzung. Natürlich ist der sorgsame, bewusste Umgang mit eigenen Daten wichtig - dabei kann der User aber auch zu dem Ergebnis kommen, dass er bestimmte Informationen eben teilen und mitteilen will. Ein absolutes "Geht gar nicht" anstelle eines bewussten Auseinandersetzens und einer ebensolchen Entscheidung hat jetzt nicht unbedingt viel mit Kompetenz zu tun. Es erinnert eher an "German Angst" und eine strikte Verweigerungshaltung. Das bringt uns jetzt nicht wirklich weiter.
Ähnlich gelungen finde ich ja die erste Wortwahl. Man kann über die Timeline sicherlich einiges sagen, dass sie "absurd" sei, also sinnlos oder widersinnig, liegt jetzt aber nicht gerade nahe. Der Sinn dahinter lässt sich sowohl aus Unternehmens- wie Nutzerperspektive erläutern, bei Bedarf auch mit negativer Tonalität. Das (Mit-)Teilen von Informationen in einem Sozialen Netzwerk aber grundsätzlich widersinnig zu nennen, sagt mehr über die eigene Perspektive als das neue Angebot aus.
Dazu sei erwähnt: Zumindest bislang setze ich die Timeline nicht ein - man könnte sagen, weil sie meinen Zielen und Bedürfnissen nicht signifikant entgegenkommt. So kann ich mir etwa im allgemeinen halbwegs merken, wann ich geboren bin, und habe kein gesteigertes Interesse daran, nachzuvollziehen, was ich am 21. März 2009 gemacht habe. Gleichfalls interessiert mich bei meinen Facebook-Freunden nicht, wann sie sprechen und laufen gelernt haben. Was aber nicht grundsätzlich bedeutet, dass die Timeline sinnlos wäre oder nicht bestimmen Zwecken diente.
Das interessante an Timeline ist der Zusammenhang mit dem Open Graph, aber noch passiert da in Deutschland nicht die Welt. In dem Kontext (oder wenn ich Lust habe, mich mit der Umstellung rumzuschlagen) könnte sich dann auch meine Haltung ändern.
(Unabhängig davon wäre es, falls man Jeff Jarvis irritieren will, lustig, via Mobile-Check-in jeweils den Saunabesuch auf Facebook zu verkünden.)
Aigners letzter Punkt, besserer Datenschutz auf europäischer Ebene, ist dagegen gar nicht verkehrt. In dem Sinn, dass hier einiges an Klärungsbedarf existiert. Nur würde das in ihrer Auseinandersetzung mit Facebook erst mal keinen Unterschied machen - Facebook bezieht sich ja meist nicht auf amerikanisches, sondern auf irisches Datenschutzrecht. Vor einem für den Binnenmarkt geltenden europäischen Datenschutzrecht steht ohnehin einiges an Gesprächs- und Harmonisierungsbedarf. Und wieweit dass ihr Job ist und nicht der von Brüssel, Innenminister Friedrich sowie den diversen deutschen Datenschützern, steht dann auch noch im Raum. Gleichwohl: Ja, an dem Thema muss grundlegend gearbeitet werden. Aber bitte mit einem Leitbild von Medienkompetenz, das mehr mit, wie soll ich sagen, Kompetenz zu tun hat.
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