Anfang letzter Woche haben eine Reihe
von Medientiteln eine Kampagne gegen die Nutzung von Adblockern
gestartet, Programmen, die Werbeflächen auf Websites blockieren. Und
die Aufregung brandete hoch. "Wie können die es wagen, zu verlangen,
dass ich mir ihren Werbeschrott ansehe?" "Geht doch sterben", "Elende
Konsumpropaganda" und so fort. Plus das auf Knopfdruck abrufbare "Jaja, die Medien haben das Internet einfach nicht verstanden." (Zu letzterem Punkt ist Frank Patalong lesenswert der Kragen geplatzt.) Dazu kam eine ganze Reihe von Nutzern, die so überhaupt erst erfuhren, wie simpel sich Werbung blocken lässt. (Barbra Streisand sagt "Hallo".)
Der Debattenverlauf über eine Woche
hinweg zeigte neben den üblichen Reflexen aber auch ein paar
Wahrheiten auf, und wie das mit Wahrheiten so ist, sind sie zumeist
unbequem. Wir müssen uns von ein paar Werbelügen verabschieden, und damit meine ich Lügen über Werbung. Dazu zählen "Im Internet ist doch alles kostenlos", "Die Nutzer akzeptieren doch Werbung voll und ganz", "Online-Werbung ist total großartig, so wie sie jetzt ist" und "Klar, auf die Site passt auch noch eine aufmerksamkeitsstarke Werbeform mehr." Stattdessen sollten wir ein paar Wahrheiten in die Augen sehen.
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Online-Werbung: Zu oft zum schreien, auch die, die nicht von Zalando kommt. // Bild: S. Hofschläger / pixelio.de |
Zum einen: Menschen wollen keine
Werbung. Aller Lebenslügen von Unternehmen, Publishern, Werbern zum
Trotz verzehren sie sich in der Mehrzahl nicht danach, ungefragt
tolle Neuigkeiten zu Unternehmen und Produkten zu erfahren.
Was ich mit Lebenslügen meine? Nun,
folgenden Satz hat Yahoo-Chefin Marissa Mayer zur Übernahme der
Blogging-Plattform Tumblr geschrieben: "The two companies will also work
together to create advertising opportunities that are seamless and
enhance user experience."
Das Nutzererlebnis verbessern. Durch
Werbung. Uh-huh. Wenn man mal einen kurzen Blick auf das wirft, was
Tumblr-Nutzer so zum Thema Yahoo posten, dann findet sich "endlich
kriegen wir hier vernünftige Werbung" eher nicht. Im Gegenteil
fluchen viele schon jetzt, dass ein kostenfreier Dienst jetzt am
Schluss mehr Werbeflächen erhält.
Ein Deal, für den man mehr tun muss
Denn das ist die nächste Wahrheit: Den
Deal, den viele beschwören - "kostenfreie Nutzung gegen
Werbevermarktung", den akzeptieren bei weitem nicht alle User.
Was ein Problem darstellt, denn
irgendwie müssen Dinge nunmal finanziert werden. Das Netz ist nicht
frei, was eine Site wie Tumblr an Infrastruktur zum funktionieren
braucht, muss irgendwie refinanziert werden. Und bei Mediensites
entstehen die Inhalte nicht aus dem luftleeren Raum, sondern durch
Menschen, die man dafür tunlichst bezahlen sollte. (Here's looking
at you, Huffington Post Deutschland.)
Denn das Anliegen der Verlagskampagne gegen Adblocker wie auch die Art, in der sie angefangen wurde, die sind richtig. Wenn 25 Prozent meiner Leser meine Refinanzierungsmöglichkeit blocken, dann tut das weh. Sie dann höflich bitten, das zu lassen, und ihnen verständlich zu erklären, warum, das ist richtig. Und eigentlich die Art von Dialogbereitschaft, die sonst von den Verlagen eingefordert wird, wenn es um das Digitale geht.
Die Blockerzahl scheint dabei
realistisch, weil sie sich aus anderen Bereichen stützen lässt –
der Anteil derer, die Werbung akzeptieren oder nützlich finden,
liegt in Studien meist um die 60 Prozent. Dass ein signifikanter Teil
der anderen sie am liebsten los wäre, klingt glaubhaft.
Wenn Menschen aber sagen "Nein, ihr
habt mich nie gefragt, ob ich mit Werbung einverstanden bin, und
überhaupt, geht sterben" dann stellt das eine eher unreife
Reaktion dar. Ja, sie hatten tatsächlich nicht die Wahl. Aber das
hätte auch nicht viel geändert. So sieht nunmal das Geschäftsmodell aus, irgendwie muss es ja aussehen. Was wäre die Alternative? Gleich kassieren? Es gibt auch bei Facebook oder
Twitter regelmäßig Unmut über zu viel oder zu aufdringliche
Werbung und den Vorschlag, diese gegen Gebühren doch wegzulassen.
Das Problem dabei: Zahlen will
eigentlich auch keiner. App.net, vor einer Weile als
kostenpflichtiges, dafür werbefreies soziales Netzwerk vor rund neun
Monaten unter Lobeshymnen gestartet, bringt es inzwischen auf 100.000 registrierte Nutzer. Nicht in Deutschland, insgesamt. Das mit der Zahlungsbereitschaft ist also so eine Sache. Ein Teil der Nutzer ist dazu bereit, aber nicht so viele und nicht in einer Höhe, dass das mal eben bei regulären Medientiteln die Werbefinanzierung ersetzen kann.
Was man aber machen kann: Miteinander reden. Darüber, was die Nutzer nervt und wie sich das auf einen für alle Seiten zufriedenstellendes Niveau reduzieren lässt. Denn gnadenlos genervte Nutzer, die Werbung wegblocken, helfen den Publishern nicht, auch nicht den Werbern oder Unternehmen.
Bei Medientiteln hoffen wir insgesamt darauf, dass es einen zahlungsbereiten Teil gibt. Und hier wie bei anderen Diensten gilt ja auch, dass der Großteil der Nutzer die Werbung hinnimmt. Nicht goutiert, aber hinnimmt im Tausch gegen kostenlose oder zumindest günstigere Inhalte. Das ist eine erwachsene Reaktion, und es wirkt schlüssig, dass man darauf bei den anderen hinwirken will. Nicht von oben herab, sondern indem man ihnen klarmacht: Leute, wir müssen das hier irgendwie finanzieren.
Was man aber machen kann: Miteinander reden. Darüber, was die Nutzer nervt und wie sich das auf einen für alle Seiten zufriedenstellendes Niveau reduzieren lässt. Denn gnadenlos genervte Nutzer, die Werbung wegblocken, helfen den Publishern nicht, auch nicht den Werbern oder Unternehmen.
Bei Medientiteln hoffen wir insgesamt darauf, dass es einen zahlungsbereiten Teil gibt. Und hier wie bei anderen Diensten gilt ja auch, dass der Großteil der Nutzer die Werbung hinnimmt. Nicht goutiert, aber hinnimmt im Tausch gegen kostenlose oder zumindest günstigere Inhalte. Das ist eine erwachsene Reaktion, und es wirkt schlüssig, dass man darauf bei den anderen hinwirken will. Nicht von oben herab, sondern indem man ihnen klarmacht: Leute, wir müssen das hier irgendwie finanzieren.
Die 25 Prozent Blockierer stellen ja nicht alle kompromisslose Kostenlos-Kulturkämpfer dar. Da sind auch diejenigen darunter, die über den
Finanzierungszusammenhang gar nicht nachgedacht haben, sondern nur
ihre Ruhe haben wollten. Die kann man unter Umständen überzeugen,
wenn man vernünftig mit ihnen redet. Und unter ihnen sind auch die,
die schlicht zu genervt waren.
Besseres Handwerk ist gefragt
Denn die Werbe- und Medienbranche hat
sich die Ablehnung durch eigene Blödheit auch selbst eingebrockt.
Wie war das oben? Werbung, die sich nahtlos einfügt und das
Nutzererlebnis verbessert? Würde passen zu denen, die von relevanten
Inhalten, passenden Angeboten, kreativer Unterhaltung sprechen. So
sieht der Großteil der Realität nur nicht aus.
Die
Realität beschrieb Frédéric Winckler, CEO von JWT Paris und
President des AACC, in einem Vortrag letzten Herbst so: "Wir
stopfen den Menschen so lange Werbung in den Hals, bis sie uns
hassen."
In der Tat zeigt sich im unblockierten Internet viel zu oft ein
wahres Werbebombardement. Es blinkt, trötet, auto-played, overlayed,
pop-upped und nervt von allen Seiten. Da kann man verstehen, dass Leute das blocken. Online-Werbung macht ihren Job zu guten Teilen wirklich schlecht.
Natürlich
soll Werbung auffallen. Aber
in der Gier nach Aufmerksamkeit machen Agenturen, Planer, Publisher
sich selbst das Geschäft kaputt. Schaffen einen Deal, dem einige Nutzer eben nicht mehr zustimmen wollen.
Sicher ist ein sich vor den eigentlichen Inhalt schiebendes Werbeformat
aufmerksamkeitsstark. Ich muss es ja wahrnehmen und interagieren, und
sei es nur, um es loszuwerden. Aber diese Art von Werbeformat ist
ungefähr so sympathisch wie die Art Kind im Bekanntenkreis, das die ganze Zeit herumkrakeelt und brüllt, weil es unbedingt
Beachtung finden will. Das kann funktionieren, Freunde macht man sich
damit aber nicht. Und gelegentlich endet es eben damit, dass das Kind
auf die stille Treppe geschickt, der Adblocker installiert wird. Das dumme hierbei: Alle anderen erwischt die Treppe auch.
Online-Werbung
leistet sich zu viele handwerkliche Fehler und Schwächen. Wer
Technik so aufsetzt, dass Werbeformate, dass Adserver Seiten
ausbremsen, der schludert. (Und das geschieht leider nicht so
selten.) Wer
Aufmerksamkeit nur dadurch erreichen kann, dass er einem die Anzeige
ins Gesicht bohrt wie die drei Stooges den Finger in die Augen, der
geht bei seinem Handwerk ähnlich mit dem Holzhammer vor.
Werber
fühlen sich als Kreative, als Künstler. Dann beweist es.
Holzhammer-Formate haben nichts mit Können zu tun, ihnen geht jede
Eleganz ab. Erarbeitet
euch Aufmerksamkeit und Interaktion.
Werbung nervt erst recht, wenn Seiten in ihr ertrinken. Da kommen dann die Publisher ins Spiel, die eben alles mitnehmen wollen, was es an Buchungen gibt, alles möglich machen wollen, was Kunden wünschen. Denn die begehren in ihrer Gier mehr, als für die eigenen Ziele gut ist.
Werbung nervt erst recht, wenn Seiten in ihr ertrinken. Da kommen dann die Publisher ins Spiel, die eben alles mitnehmen wollen, was es an Buchungen gibt, alles möglich machen wollen, was Kunden wünschen. Denn die begehren in ihrer Gier mehr, als für die eigenen Ziele gut ist.
Insofern
ist es, um auf die Adblocker-Kampagne zurückzukommen, auch
schlüssig, dass die Mediensites im gleichen Atemzug sagen, dass sie
darauf achten wollen, ihren Lesern nicht zu viel Schrott zuzumuten.
Sie müssen es nur auch konsequenter leben.
Das
ist ein Zwiespalt, weil es gleichzeitig bedeutet, potenziellen Umsatz
liegen zu lassen. Nur muss man das mit dem gegenrechnen, was einem
durch die vergrätzte Zielgruppe entgeht. Denn bei den allermeisten Seiten, erst recht bei denen, die Premium bieten wollen, gilt doch eins: Die Werbung ist Mittel zum Zweck. Wir machen die Sites nicht, um dort Werbung zu schalten. Wir bieten dort Werbeschaltungen an, um das, was wir eigentlich machen, zu finanzieren. Dementsprechend sollte ich auch nicht mehr Werbung als Inhalt sehen.
Den Konsumenten ernst nehmen
Für Publisher wie Werber und Planer gilt: Wenn
ihr Technik einsetzt, dann bitte richtig. Werbung lässt sich auf die
Nutzerinteressen zuschneiden. Dann kommen wir zu dem, was Winckler
gefordert hat: Dem Konsumenten nützlich, zu Diensten sein. Wenn mich
die Werbung tatsächlich anspricht, interessiert, steigt auch die
Chance, dass ich positiv reagiere. Das setzt aber voraus, dass ich
Menschen die Personalisierung, vor der viele Angst haben
("Datenkraken", "Datensammelei") vernünftig erkläre. Und nicht
überziehe. Nicht zum Müll durchwühlenden Stalker werde, der den
Konsumenten wieder unheimlich wird. Und müffelt.
Denn ganz
ehrlich: Es kann Marken nur helfen, wenn ihre potenziellen Kunden sie nicht als unangenehm riechende
Stalker wahrnehmen, die für sie uninteressante Botschaften laut und immer wieder herausbrüllen.
Online-Werbung muss in der Masse einfach stärker dahin kommen, mit gutem Handwerk zu überzeugen. (Es gibt ja gute, nur fällt die andere eben unangenehm auf und ist die, die Nutzer nervt.) TV-Werbung brüllt mich auch nicht die ganze Zeit mit Farborgien an. Gutes Handwerk kann online auch heißen: Auf Nutzer zuschneiden, und zwar passend. Denn bei vielem, was momentan personalisiert, auf Nutzer zugeschnitten sein soll, da ist der Schneider ziemlich grottig. Da passt nichts zusammen.
Gut zuschneiden kann ich, wenn ich entsprechende Daten habe. Und zumindest jüngeren Zielgruppen kann ich das auch erklären. Denn von ignorierter, geblockter Werbung
hat der Werbungtreibende nichts. Und wenn performancebasiert
abgerechnet wird, stellt es für den Publisher eine Nullnummer dar.
Die Anti-Adblocker-Kampagne kann nur ein Anfang sein. Auch im Dialog mit den Nutzern. Aber es gibt noch andere Baustellen, die angegangen werden müssen. Der Deal, den der Nutzer annehmen sollte - weil wir nunmal die Finanzierung brauchen - den muss man von Branchenseite besser ausgestalten. Annehmbarer. Handwerklich besser. Kurz: Online-Werbung muss besser werden. Dann sind Nutzer vielleicht auch aufgeschlossener.
" (Es gibt ja gute, nur fällt die andere eben unangenehm auf und ist die, die Nutzer nervt.) TV-Werbung brüllt mich auch nicht die ganze Zeit mit Farborgien an. "
AntwortenLöschenKönnte man auch auf die Gestaltung der Website hier beziehen ...