Klagen
darüber, dass "die Politik" das Netz nicht verstehe oder die
Gesetze wie der Gesetzgeber einfach zu langsam sind und der digitalen
Realität deutlich hinterher hinken, sind nicht neu. Und doch drängen
sich ein paar Zeilen dazu gerade wieder auf, weil sich in den
vergangenen Wochen die Facepalm-Momente hierzu bemerkenswert häuften.
Von
Applaus für das fatale Recht auf Vergessenwerden des Europäischen
Gerichtshofes über spanische Politiker, die sich für ihre schlechte
Kopie des Leistungsschutzrecchts feiern bis hin zu einem deutschen
Gesetzentwurf zum Kleinanlegerschutz, aufgrund dessen dem sonst eher
bedächtigen Bitkom-Hauptgeschäftsführer der Kragen geplatzt ist,
weil da "Internet-Ausdrucker Start-up-Politik machen". Für den
einzigen Lichtblick ist ausgerechnet das britische Oberhaus
zuständig.
Aber der
Reihe nach.
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"Komm, geh'n wir Infrastruktur zerstören im Netz." / Bild: Christoph Droste / pixelio.de |
Es ist
schon ein Kreuz mit dem Klau von Ideen und Texten im Netz. Da nehmen
sich die spanischen Politiker doch glatt einen alten Entwurf vom
deutschen Leistungsschutzrecht und prügeln ihn durch die erste Abstimmung im Kongress. Damit droht auch in Spanien ein langwieriger
Streit darum, wer wie viel für online verwendete Anrisse von
Verlagstexten zu zahlen hat. Nur dass die spanische Variante im
momentanen Stadium noch missratener klingt als das deutsche LSR. Es
steht nämlich im Raum, dass es bereits für simple Links gelten
könnte. Und Anspruch auf Zahlungen haben allen Ernstes nur
Mitgliedes des Zeitungsverbands AEDE.
Eine "Pionierleistung für Europa" hat Heise zufolge der spanische
Bildungsminister José Ignacio Wert die Verabschiedung im spanischen
Kongress vollmundig genannt. Das kann man in der Tat so sehen. Zu den
Aufgaben von Pionieren beim Militär gehört schließlich auch die
Beschädigung und Zerstörung von Infrastruktur. Und die Verlinkung
von Seiten und Inhalten kann man sehr wohl als Teil der grundlegenden
Struktur des Internet sehen.
Inzwischen
gab es eilige Versicherungen, dass es nicht darum gehe, eine
Verbreitung via Facebook und Twitter oder
Links allgemein kostenpflichtig zu machen. Der Witz
ist nur: Der momentane Gesetzestext würde das wohl hergeben. Genau
sagen kann ich es nicht, weil ich Spanischkenntnisse leider nicht
vorweisen kann. Sonst würde ich mir den Entwurf ja antun. (Ja, ich
bin so.)
Dieser Gesetzeszustand hat
zwei Hauptgründe. Erstens: Eine starke Lobby von Zeitungshäusern
will das Gesetz vor allem, um an Googles Geldbeutel zu kommen. (Das muss einem
nicht spanisch vorkommen, es könnte auch vage bekannt wirken). Mit
einem Gesetz, das hier möglichst gute Handhabe bieten soll. Zweitens:
Politiker, souffliert von Lobbyisten, haben ein Gesetz
zusammengeschraubt, dass Rechtsunsicherheit schafft und aus dem
eigentlich nichts positives folgen kann, weil es zig Klagen nach sich
ziehen wird.
Immerhin
dämmt die absehbare Prozessorgie aber das Verursachen direkten
Schadens ein. Im Gegensatz zum Recht auf Vergessenwerden des
Europäischen Gerichtshofes, das man gerne vergessen würde. Weil
es zu Löschaktionen führt, die Informationen weitaus schwieriger
zugänglich machen.
Das
lässt Geschichten verschwinden, gegen die es presserechtlich gar
keine Handhabe gibt, das schädigt Medien und Meinungsfreiheit. Was
eigentlich nach dem wahnwitzigen Urteil von vornherein klar war, in
der Berichterstattung bei einigen nur im schadenfrohen Jubel darüber
unterging, dass Google eine reingekriegt hat und sehr wohl politisch
oder juristisch zu Dingen gezwungen werden kann. (Das
würde ja zur Schlagrichtung des LSR so schön passen.)
Eigentlich hätten Medien bei diesem Thema aber mit Google zusammenstehen müssen.
Danach war die Aufregung um die Löschungen groß. Und die Beschwerden, dass Google zu schnell und nach intransparenten Regeln Löschanträgen nachkomme. Was aber nicht überraschend ist, weil presserechtliche Streitereien außerhalb von Googles Kompetenzbereich liegen und dem Konzern auch nicht gerade am Herzen liegen dürften.
Eigentlich hätten Medien bei diesem Thema aber mit Google zusammenstehen müssen.
Danach war die Aufregung um die Löschungen groß. Und die Beschwerden, dass Google zu schnell und nach intransparenten Regeln Löschanträgen nachkomme. Was aber nicht überraschend ist, weil presserechtliche Streitereien außerhalb von Googles Kompetenzbereich liegen und dem Konzern auch nicht gerade am Herzen liegen dürften.
Juristen beschließen etwas, dass schon im Grundgedanken Unsinn darstellt und bei dem es völlig an einem Mechanismus zur Umsetzung fehlt, der halbwegs den Schaden eindämmt.
Das altehrwürdige Oberhaus erklärt dem restlichen Politeuropa das Netz
Womit
die Lords and Ladies ebenfalls absolut recht haben:
"We also believe that it is wrong in principle to leave search engines themselves the task of deciding whether to delete information or not, based on vague, ambiguous and unhelpful criteria, and we heard from witnesses how uncomfortable they are with the idea of a commercial company sitting in judgement on issues like that."
"We also do not believe that individuals should have a right to have links to accurate and lawfully available information about them removed, simply because they do not like what is said."
Das
sind Ansagen und Erkenntnisse, wie man sie sich von Politikern
wünscht. Und nach Möglichkeit nicht nur von einzelnen Experten,
Jungkräften oder Oppositionsvertretern, sondern aus der Breite.
Das
Digitale ist Teil unseres Alltags und unserer Realität. Rechtsnormen
und politische Entscheidungsprozesse müssen sich dem anpassen. Nicht, indem sie brav alles tun, was die Digitalwirtschaft gern
hätte. Aber indem sie hier Wissen und Kompetenz aufbauen, um
vernünftige Entscheidungen zu treffen.
Und
nicht Netzthemen auf Grundlage von fast 20 Jahre alten Gesetzen und
Herangehensweisen entscheiden.
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