Sonntag, 30. September 2012

Déjà-vu mit Apfel: Apple, das iPhone 5 und der übliche Zirkus

Dieser Text hat sich nun ein wenig hingezogen. Auch musste ich den ursprünglichen Plan ändern, aber nicht ganz funktionierende Pläne und das iPhone 5, das gehört ja irgendwie zusammen. Das ursprüngliche Vorhaben, es war dieses:
Daher starte ich ein kleines Projekt: Bis zu Apples Präsentation werde ich schön alles bookmarken, was mir an Enthüllungen präsentiert wird. Und dann rechnen wir ab. Wie viel davon Schwachsinn war. Wie viel davon wir seit Jahren routiniert hören.

Denn Apple-Neuvorstellungen, sie sind ein Fest für manche Schreiberlinge. (Andere von uns nervt der Hype und die Berichterstattungsschwemme inzwischen aber so richtig.) Wie die Kaufwilligen vor dem Apple Store reihen sich die Artikel aneinander, zu vermuteten Features, Prognosen, angeblich exklusiven Geheiminfos. Dann folgen Kritiken, wirtschaftliche Einordnungen, atemlose Entrüstung über nicht Funktionierendes.

Bild: Apple.


Einer der Gründe, warum sich der Abrechnungstermin nun nach hinten verschoben hat, ist schlicht der: Der Anteil von Unfug, der nach der Apple-Präsentation geschrieben wurde, war dieses Mal sogar größer.


Die vorprogrammierte Enttäuschung über selbst geschaffene Erwartungen

Das ging mit der Einordnung direkt nach Apples Keynote schon los: Nur eine Evolution, kein großer Wurf, Enttäuschung. Als hätten einige mal eben ihr Geschreibsel zum iPhone 4S via Copy und Paste eingefügt. Focus Online ist sogar so zuvorkommend, beim neuen Artikel "Enttäuschung über das iPhone 5 – Das Ende der Apple-Manie?" den vom Vorjahr ("Fans und Experten enttäuscht vom iPhone 4S") zu verlinken. Wir erinnern uns: Das 4S hat ja "Fans und Experten" total enttäuscht, bevor es dann zum meistverkauften iPhone-Modell wurde. Ein Rang, den es jetzt an das 5er verlieren wird.

Ein sattes Déjà-vu  bescherten als nächstes die Analysten. Auch hier fanden sich wieder enttäuschte Schlaumeier. Enttäuscht darüber, dass Apple "nur" fünf Millionen Geräte übers Startwochenende verkauft hatte. Was natürlich die Schuld von Cupertino und nicht etwa die der Analysten mit überzogenen Erwartungen war. Die hatten ja schließlich bis zu zehn Millionen verkaufte Geräte erwartet. Gleichzeitig gibt das wieder den Aufhänger für wirtschaftliche Einordnungen von Apple, die zwischen Schwanengesang und "Apple wird die US-, wenn nicht gleich die Weltwirtschaft retten" pendeln. Das Wirtschaftsressort will ja auch irgendwie von den Apple-Keywords profitieren.

Dritte Konstante nach Genöle von Experten und Analysten über zu wenig Revolution: Eindreschen auf Apple wegen Fehlern. Einziger Unterschied: Mit Apple Maps findet die Kritik einen Gegenstand, bei dem sie tatsächlich etwas zu kritisieren hat. Dementsprechend sind Punkte wie das routinierte "Die Akkulaufzeit ist Müll" oder "die Oberfläche verkratzt viel zu schnell" zügig in den Hintergrund getreten. (Beim 4S schoss sich die Kritik auf Siri ein.)

Gezielte Kritik dank Maps

Denn Maps funktioniert tatsächlich so schlecht, dass sich Apples CEO Tim Cook in einem Brief an die Kunden entschuldigt und die Verwendung von Alternativen wie Bing, Mapquest oder - das muss richtig wehtun - Google empfiehlt. Es ist nicht so schlecht, wie es auch dank Googles Bemühungen wahrgenommen wird. Aber es stellt ein unfertiges Produkt dar, das leicht ausnutzbare Schwächen zeigt.

Die Maps-Orientierungslosigkeit öffnet zugleich die Türen für einen jüngeren Klassiker in Apple-Texten: "Würde Steve Jobs noch leben, wäre das nicht passiert." Mal davon abgesehen, dass dieser Satz schon immer die Rolle der anderen Apple-Köpfe kleigeredet hat: Konkret ließe er sich auch auf das Entschuldigungsschreiben anwenden - und wäre da ähnlich falsch, wie er es grundsätzlich ist. Apple  hat mit Maps nicht zum ersten Mal ins Klo gegriffen. Und auch Jobs hat sich oft genug beherzt den Ärmel nassgemacht. Er war nur besser darin, davon abzulenken. Selbst St. Steve hat sich aber gelegentlich auch mal ne Entschuldigung rausgepresst. (Beim frühen MobileMe etwa.)

Aber kommen wir zum ursprünglichen Thema: Wer hat eigentlich alles im Vorfeld Schmarrn erzählt? Im Unterschied zum letzten Jahr hielt sich das in Grenzen. Der Chor sang die Kernpunkte "Größeres Display", "neuer Adapter", "neues Gehäuse" und "dünner, leichter, schneller" recht einheitlich. Blödsinn wie NFC oder USB-Anschlüsse wurde nur vereinzelt behauptet. In der Tat traf das meiste zu. Weil sich weniger völlig aus der Deckung hängten und weil das Zeug vom letzten Jahr diesmal schlicht zutraf.  Eine interessante, wenn auch nicht auf die Schnelle zu beantwortende Frage dabei wäre, ob es jetzt tatsächlich größere Löcher in Apples Deckmantel gibt. Oder ob sie nur bewusst vom Unternehmen als Schlüssellöcher für ausgewählte Medien eingesetzt werden. Vielleicht ist auch schlicht die Zeit von herbeigeredeten und tatsächlichen großen Überraschungen vorbei. Wäre gut, wenn das die atemlose Artikelschwemme auch eindämmt.

(So viel für's erste. Bei Gelegenheit kommt sicher noch mal mehr.)

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