Montag, 31. Dezember 2012

Facebooks Open Graph und die Medien Revisited: Vom Wert von Experimenten und der Gefahr fremdkontrollierter Offenheit

Ein kleiner Rückblick, ein kleines Fazit, passend zum Jahresende und zur anhaltenden Diskussion über die Zukunft der Medien respektive scheiternde Projekte. Es ist etwas mehr als ein Jahr her, dass Facebook die Open-Graph-Apps von Medienpartnern vorgestellt hat. Der Guardian, die Washington Post und Yahoo traten an, um Nutzern innerhalb Facebooks Artikel zu präsentieren und deren Freunde bestenfalls automatisch wissen zu lassen, was sie so lesen.

Der Social Reader der Washington Post.

Der Gedanke dahinter war die Traffic-Steigerung, das Erschließen neuer Zielgruppen über das frictionless sharing (also das automatisierte Teilen) mit den jeweiligen Facebook-Freunden. Und für Facebook war der Witz daran, noch mehr Inhalte aus dem freien Netz in die blaue Facebook-Welt zu verlagern, so noch mehr Verweildauer und mehr Datensammelei zu ermöglichen. (Mein Post zu Chancen und Risiken dieses Konzepts stammt aus dem Dezember 2011.)

Und jetzt?
 
Haben der Guardian und die Washington Post ihre entsprechenden Social-Reader-Apps faktisch abgeklemmt, beide existieren zwar noch, linken aber sofort aus Facebook hinaus. Von Yahoo und vom Stern (der hatte seine App im März vorgestellt) gibt es ähnliche Neuigkeiten nicht, beide haben aber in den letzten Monaten zu dem Thema ohnehin geschwiegen. Jubelmeldungen und Erfolge gab es also wohl nicht zu verkünden.

Ist das ein Scheitern? Der nächste Fall, in dem die "alten" Medien ihre digitalen Gehversuche verstolpern und von vornherein eine blöde Idee gewesen? 

So simpel ist es nicht.

Dienstag, 25. Dezember 2012

Maschinenethik - Wer entscheidet, wen mein selbstfahrendes Auto überfährt?

Mit den Fortschritten, die Robotik und Automatisierungssysteme machen, zeichnet sich nicht nur perspektivisch ab, dass wir in nicht allzu ferner Zukunft manches Sci-Fi-Element als Alltag erleben. Es tauchen auch ein paar Fragen auf, die eigentlich sehr alte Debatten fortführen, die wir aber noch nicht wirklich gelöst haben.

Etwa: Wie definieren, modellieren und programmieren wir ethisches Verhalten? Wie verändern und verschieben sich Verantwortlichkeiten durch Automatisierung?

Um es plastischer darzustellen: Wer ist eigentlich schuld, wenn mein selbstfahrendes Auto jemanden überfährt? Ich als Fahrer bin ja eben das nicht mehr, sondern Passagier statt Akteur. Eine Ecke weiter gedacht: Wie entscheidet das Auto in einer Situation, in der - durch äußere Umstände bedingt - auf jeden Fall jemand zu Schaden kommt? Wenn es sich in einem Szenario befindet, in dem eine sichere, niemanden gefährdende Lösung ausgeschlossen ist, etwa weil rechtzeitiges Halten nicht mehr gelingen kann - fährt es dann die Fußgänger vor sich um oder rammt es den entgegenkommenden Laster? 

Rammt es den gern als Klischee bemühten Schulbus voller Kinder oder schanzt es sich samt Fahrer gegen einen Brückenpfeiler?

Bild: Flckr user jurvetson (Steve Jurvetson). Trimmed and retouched with PS9 by Mariordo // Wikimedia Commons.

Was hier abstrakt klingt, ist dank Google & Co. gar nicht so weit weg. Der Suchmaschinenriese testet seine selbstfahrenden Autos schließlich seit einiger Zeit erfolgreich. Um genau zu sein, haben sie schon vor einer ganzen Weile 300.000 unfallfreie Meilen zurückgelegt, besser als der durchschnittliche US-Autofahrer. Natürlich fahren die Autos momentan noch unter Aufsicht, für die jeweiligen Streckenabschnitte wird die Software optimiert und sie sind mit Sensorik unterwegs, die schon allein mehr als ein Mittelklassewagen kostet.

Auf dem langen Weg, den sie noch vor sich haben, bis sie tatsächlich reif für Straßenzulassungen ohne Experiment-Charakter sind, müssen aber neben technischen Dingen in der Tat noch ein paar interessante Fragen geklärt werden. Im Folgenden also ein paar lockere Überlegungen. (Hier geht es mir eher um das Erkennen der Fragen als das Finden von Antworten.)

Samstag, 15. Dezember 2012

Die NASA und der Weltuntergang oder Wie man geduldig mit Fantasten redet

Eigentlich ist es ja schlüssig, dass sich die NASA den Weltuntergangsjüngern widmet. Schließlich hat die Weltraumbehörde Erfahrung mit Verschwörungstheorien (Mondlandung, Challenger, Satelliten). Und diejenigen, die fest davon ausgehen, dass uns am 21.12.12 der Y2K-Bug der Maya erwischt, greifen in ihren Fantastereien ja auch gern auf Astro-Phänomene zurück. 

Trotzdem ist es ebenso unterhaltsam wie vom kommunikativen Ansatz her lehrreich, was die NASA sich zu diesem Thema ausgedacht hat. Das Science@NASA-Team hat ein eigentlich für den 22.12. gedachtes Video jetzt schon live gestellt, in dem sie erklären, warum die Erde nicht untergegangen ist.

Der Clip "Why The World Didn't End Yesterday" beginnt schon mit dem schönen Satz: 
"December 22 2012. If you’re watching this video, it means one thing: The world didn’t end yesterday." 

Der freundlich-sachliche Tonfall, in dem die Weltraumbehörde dann vier Minuten lang erklärt, warum die Welt nicht untergegangen ist, hat was. Besonders bei Sätzen wie:

"NASA-Experten haben sich letztens in einem Google-Hangout versammelt, um ihre Erkenntnisse durchzugehen. Es gibt keine Meteoriten, die auf die Erde zufliegen, keine neuen Planeten auf Kollisionskurs oder ähnliches. Geht raus und schaut in den Himmel – ihr müsstet sie schon sehen können."
Oder auch:
"Die Sonne ist ebenfalls keine Bedrohung. Sonnenstürme gibt es seit Milliarden von Jahren. Sie haben noch nicht ein Mal die Erde vernichtet."
Seht selbst.



Das Faszinierende dabei ist die freundliche Geduld, mit der die NASA das erklärt. Nicht ein einziges Mal schleicht sich der eigentlich obligatorische sarkastische Tonfall in die Erklärung ein. Statt dessen erklären sie mit wissenschaftlichem Ernst, warum es völliger Schwachsinn ist, was ihre Aluhüte tragende Zielgruppe so denkt. Denn diese seltsamen Beispiele, die das Video abhakt, wählen die Wissenschaftler nicht ohne Grund: Die Nummer mit dem Planeten (Stichwort Nibiru) oder der Sonnenaktivität gehören zu den populärsten Ansätzen unter denjenigen, die die Vernichtung der Welt erwarten, weil der Maya-Kalender einen Zyklus der Langen Zählung beendet.

Donnerstag, 13. Dezember 2012

Querverweis - "Nur nicht den Schlagbaum ins Gesicht knallen"

Ich fand es ja durchaus unterhaltsam, als zum Start des Bezahlmodells auf Welt.de einige gestern geradezu verbissen versuchten zu zeigen, wie löchrig diese Bezahlschranke sei. Denn Axel Springer wollte da überhaupt keine undurchdringliche Mauer aufbauen.

Für mich war es in meinem Kommentar drüben bei W&V Online auch interessanter, sich mit dem Konzept des sanften Einhegens der Nutzer auseinander zu setzen als mit der Technik.


Kommentar: Nur nicht den Schlagbaum ins Gesicht knallen

"Nach monatelangem Werkeln ist es nun soweit: Die Welt wagt sich als Axel Springers Speerspitze der überregionalen Paid-Content-Konzepte voran und gestaltet ihren Onlineauftritt kostenpflichtig. Es ist ein sanftes Absenken der Bezahlschranke. Ein Wort, das Mathias Döpfner ohnehin vermeiden und stattdessen lieber von Abomodellen reden will. Zu Recht. Gerade in unserem Branchenfeld sollten wir um die Macht von Worten wissen, die Konnotation des Schrankenbegriffs ist klar. Der Copy-Preis heißt ja auch nicht Leseschranke."

Demnächst kommen auch wieder längere Stücke hier. Sobald die Zeit dazu da und der vorweihnachtliche Termintrubel überstanden ist. 

Sonntag, 2. Dezember 2012

Querverweis - "Google, die Verlage und die Halbwahrheiten"

Zum Start von Googles Anti-LSR-Kampagne habe vergangene Woche auch ich einen Kommentar geschrieben. Auf W&V Online geht es um Google, die Verlage und den Kampf der Halbwahrheiten

"Verteidige Dein Netz": Im Streit um ein Leistungsschutzrecht (LSR) geht Google jetzt selbst in die Kommunikationsoffensive, startet eine breit angelegte Kampagne, um die Internetnutzer gegen das Gesetzesvorhaben zu aktivieren. Und erzählt dabei genauso viele Halbwahrheiten, Grobkörnigkeiten und schlichtweg Unzutreffendes wie vorher die Verlage."

Nach dem, was ich seit diesem Zeitpunkt von einigen schon wieder an Unfug lesen musste, lässt sich das "vorher" getrost streichen. Denn die Schlammschlacht ging so weiter. Und wir müssen das Schmierentheater wohl auch noch eine Weile ertragen.

Dabei ist es bei weitem nicht so, dass Google und die Verlage die einzigen wären, die bei diesem Thema Halbwahrheiten, Polemik und Unzutreffendes für sich gepachtet hätten. Nach Durchsicht des Bundestagsprotokolls zur LSR-Lesung am vergangenen Donnerstag möchte ich bitte vor der Leistung dieser Politiker geschützt werden. Was sich auf alle Fraktionen bezieht. Der Wahnwitz beginnt auf Seite 187. Und Herr Heveling (ja, von dem kennen wir das schon) kann sich nur deshalb klar an der Spitze des Unfug-Rankings platzieren, weil er den größten Teil seiner Redezeit über Finanzmärkte gesprochen hat.



Verwandte Artikel:
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Leistungsschutzrecht: Nicht Füllhorn für Verlage, sondern Büchse der Pandora
Festschrift zum Relaunch, garantierte Lesefreiheit trotz LSR: Wie sich Medien im Netz verheddern
Ein paar Gedanken zum Leistungsschutzrecht

Freitag, 30. November 2012

Microsofts Saugfähigkeit und der gelungene Kampagnenansatz rund um BrowserYouLovedToHate

Zu sagen, dass Microsofts Browser Internet Explorer ein Imageproblem hat, wäre untertrieben. Redmond hat schon eine Weile das Problem, dass die alte Übermacht im Browser-Markt von Firefox, Chrome & Co. untergraben wurde und da draußen User sind, die sich eher die Maushand abhacken als einen Internet Explorer installieren würden. 

Wie bei vielen Microsoft-Produkten gilt: Sie sind verbreitet, aber nicht beliebt. Und bei Browsern gab es gute, nein, sogar schlicht bessere Alternativen.

Was Microsoft jetzt aber mit der Kampagne rund um BrowserYouLovedToHate macht, ist wirklich ziemlich gut. Im neusten Spot geht es um einen klassischen Troll, der aus seinem Wohnkeller gegen den Internet Explorer 10 stänkert. Und unermüdlich im Namen der Menschheit (eher seiner eigenen Verbohrtheit, aber das mag aus seiner Perspektive anders aussehen) Negativ-Kommentare quer durch's Netz spammt. Bis, ja bis...




Das ist clever und witzig. Microsoft nimmt die Trolle auf die Schippe, stellt sich aber gleichzeitig auch der Erkenntnis, dass der IE bei vielen ungefähr so beliebt ist wie Steuerprüfer. Und dass es ein hartes Stück Arbeit darstellt, sich aus diesem Image-Loch rauszugraben.

Mittwoch, 28. November 2012

Unzüchtige Ellenbogen Oder Facebooks Zensoren müssen dringend mal kalt duschen

Das Bild des Nerds, es hat sich gewandelt. Auch dank den Erfolgen der Internet-Unternehmer, der Gründer, der Schrauber und Bastler. Nerd ist noch nicht das neue Schwarz, aber zumindest einige Negativ-Klischees wie "So verklemmte Typen, für die Frauen unbekannte Wesen darstellen und menschliche Anatomie ein Mysterium ist" haben sich eigentlich erledigt. Denkt man. Und dann kommen Facebooks Kontrolleure an und löschen das Foto von einer Frau in der Badewanne. Weil man ihren Ellenbogen sieht. 

Ich mach' hier keine Witze, wir reden von folgendem Motiv:
Das Testbild von Theories of the Deep Understanding of Things, via DailyMail.

Der Grund für dieses Foto war ein Testlauf seitens Theories of The Deep Understanding of Things, die erkunden wollten, wie genau Facebook seine Richtlinien nimmt und was für die Kontrolleure in Blau schon zu anzüglich ist.

Und Facebooks Zensoren halten offensichtlich schon Ellenbogen für unzüchtig. Man mag ihnen empfehlen, mal wieder kalt zu duschen. Oder man könnte einen Algorithmus erstellen, ab wieviel Quadratzentimetern weiblicher Haut sie hormonelle Wallungen erleiden und darüber philosophieren, ob sie Mittags mit den Hardcore-Religionsgelehrten von gegenüber Essen gehen. Eine interessante Frage wäre auch, ob's als nächstes Add-On dann Profilbild- und Foto-Burkas gibt.

Donnerstag, 22. November 2012

Netzespresso: Der Soundtrack zur Fehlkommunikation

Was bei der Beschäftigung mit dem Internet und Medien, auch Kommunikationsformen generell immer wieder mal auffällt, ist das Auftreten von Fehlkommunikation, von Missverständnissen. Gerade durch Beschleunigung, Kanalreduktion oder geringere Verarbeitungstiefe kann deren Wahrscheinlichkeit steigen.

("Wie hat er das jetzt gemeint?")

Daher als Netzespresso für zwischendurch gewissermaßen den Soundtrack zur Fehlkommunikation: cdzas "History of Misheard Lyrics". Ein Medley von Liedtextverhörern.




Gewerkelt hat diesen Clip das professionelle Musiker-Kollektiv cdza. cdza widmet sich musikalischen Video-Experimenten, die dann webseitig vermarktet werden. Die bunte Truppe ist inzwischen beim 13. Clip angekommen und hat da schon einige sehenswerte Sachen abgeliefert. Das Thema als solches ist auch dadurch nullen-und-einsig, dass derartige Liedtextverhörer (Das Englische hat mit Mondegreen sogar einen eigenen Begriff dafür) durch das Internet zunehmen. Mehr dazu findet sich bei The Atlantic.

Sonntag, 18. November 2012

This is London - ein digitaler Reisebericht

Das hier wird jetzt etwas untypisch für Von Nullen und Einsen. Es ist eine kleine Fingerübung, ein begleitender Reisebericht meines London-Ausflugs. Ich bin beim besten Willen kein Reiseblogger, aber ich fand es als Testlauf interessant.


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Willkommen im digitalen London. Die Zugfahrt vom Flughafen in die Stadt begleitet einer von drei eigens für die Strecke geschaffenen Musik-Tracks. Der Espressivo-Remix von The Milk, angelegt auf die halbstündige Fahrzeit, vom Smartphone als Soundtrack zur vorbeiziehenden englischen Landschaft auf die Ohren geliefert. Einen der Tracks gibt es kostenlos dazu, wenn man die Express-Tickets online bucht. 

Ein Konzept, das bei der Deutschen Bahn kaum vorstellbar ist. Zu London wiederum passt es. Eine Stadt, die weitaus vernetzter und digitaler ist als ihre deutschen Vettern. So ziemlich zu allem lassen sich hier online Tickets bestellen. Und das ist kein "wir müssen’s halt auch anbieten", sondern der explizit empfohlene, meist mindestens zehn Prozent günstigere Weg.

Als Nahverkehrs-Ticket gibt es die elektronische Oyster-Card, mit der man bei Fahrten nur ein- und auschecken muss. Das sinnvollste Ticket wird dann automatisch abgerechnet. Kein Kartengefriemel, kein Aufwand. Das spart Zeit, Geld und Nerven. Und ist hier völlig normal. Die Vernetzung gehört zu Londons Alltag. Davon kann Deutschland sich noch einige dicke Scheiben abschneiden.


Das waren die Anstöße zu diesem Versuch – einem digitalen Reisebericht, bestehend aus Notizfragmenten, die ich während der Reise festhalte. Denn diese Form scheint passend zu London wie auch zu der Art, wie wir uns auf Reisen begeben. Wir recherchieren und buchen online. Kaufen Tickets vorab. Vor der Abreise habe ich mein Smartphone mit London-Apps bestückt, Offline-Kartenmaterial heruntergeladen, eine eigene Spotify-Playlist erstellt. (Meinen London-Soundtrack gibt es hier.)

Freitag, 16. November 2012

Googles AR-Projekt Ingress - Die ganze Welt ist ein Spiel

Google geht jetzt auch unter die Anbieter von Mobile Games. Und nach dem ersten Eindruck ist Ingress  mehr als nur ein kleines Spielchen. Denn was die hauseigenen Niantic Labs da gezaubert haben, will ein weltumspannendes AR-Game werden - hier für Alternate Reality, auch wenn Augmented Reality Teil des Ganzen ist. Der Globus als Spielball für zwei Fraktionen, die in der physischen Welt an bestimmten Orten mit dem Smartphone Missionen zu erfüllen haben. Eine fiktive Spielwelt, die der realen virtuell übergestülpt wird. 

So sieht der Trailer dazu aus:


In der Praxis bedeutet dass: Grundlage von Ingress ist eine Storyline, der zufolge transdimensionale Intelligenzen (schaut mich nicht so an, das ist Niantics Wortwahl, nicht meine) die Erde mit extraterrestrischer Energie fluten und an bestimmten Stellen Portalschnittstellen schaffen wollen. Spieler sind entweder dafür, den sogenannten Shapern dabei zu helfen oder sie aufzuhalten - spielen vulgo entweder aufseiten der Enlightened oder der Resistance.