Freitag, 16. November 2012

Googles AR-Projekt Ingress - Die ganze Welt ist ein Spiel

Google geht jetzt auch unter die Anbieter von Mobile Games. Und nach dem ersten Eindruck ist Ingress  mehr als nur ein kleines Spielchen. Denn was die hauseigenen Niantic Labs da gezaubert haben, will ein weltumspannendes AR-Game werden - hier für Alternate Reality, auch wenn Augmented Reality Teil des Ganzen ist. Der Globus als Spielball für zwei Fraktionen, die in der physischen Welt an bestimmten Orten mit dem Smartphone Missionen zu erfüllen haben. Eine fiktive Spielwelt, die der realen virtuell übergestülpt wird. 

So sieht der Trailer dazu aus:


In der Praxis bedeutet dass: Grundlage von Ingress ist eine Storyline, der zufolge transdimensionale Intelligenzen (schaut mich nicht so an, das ist Niantics Wortwahl, nicht meine) die Erde mit extraterrestrischer Energie fluten und an bestimmten Stellen Portalschnittstellen schaffen wollen. Spieler sind entweder dafür, den sogenannten Shapern dabei zu helfen oder sie aufzuhalten - spielen vulgo entweder aufseiten der Enlightened oder der Resistance.


Gespielt wird über die Website sowie die App auf dem Android-Smartphone, die eifrigst Gebrauch von Geodaten macht. Mit Ingress zwingt der Internetkonzern Google Gamer vor die Tür und erschließt den physischen Raum als Spielfeld. Denn die Aufgabe der Spieler ist es, Portale zu manipulieren und Kontrollzonen zu errichten. Je mehr Menschen dort leben, umso besser. Dazu müssen sie nicht nur via Karte zu physischen Orten, an denen das Spiel Portale angelegt hat. Sie müssen auch auf bestimmten Laufrouten Energie aufsammeln, um Aktionen ausführen zu können.

Die Portale platziert Niantic Labs an öffentlich zugänglichen Orten - bei Skulpturen, Büchereien oder Sehenswürdigkeiten. Wenn da künftig jemand intensiv sein Smartphone mit Blick auf eine Statue mustert, muss das also mitnichten heißen, dass er sich gerade über deren kulturelle Bedeutung informiert. Es kann genausogut sein, dass er verzweifelt versucht, außerirdischen Invasoren den Weg zu verstellen und das Portal schneller zu hacken als der Typ in der Adidas-Jacke ihm gegenüber.

Denn die Fraktionen spielen weltweit gegeneinander - die Intel Map im Netz zeigt ihnen dabei den Fortschritt an. Und dürfte zusammen mit App und Website auch die Storyline vorantreiben. Denn AllThingsD zufolge will sich Google nicht lumpen lassen und mehr als nur eine SciFi-mäßig aufgerüschte GPS-Schnitzeljagd veranstalten. Sie haben auch Autoren angeheuert. Neben viraler "Was geht hier eigentlich"-Spots finden sich auf der Site auch verschlüsselte Hinweise und ähnliches. Potenzial für Spannung ist also da.

Screenshot der Homepage von Ingress.

Dieses Spiel ist aus mehreren Gründen interessant: Zum einen setzt es auf den ersten Blick das Konzept entsprechender Alternate-Reality-Games deutlich umfassender um als bisherige Spiele. Zum anderen sollte Google ganz brauchbare Möglichkeiten haben, Reichweite und Spielerzahl aufzubauen. Denn an zu wenig Mitspielern würde der Spaß hier dann doch deutlich kranken. Damit lässt sich dann vielleicht tatsächlich ein Massively Multiplayer Online Role Playing Game auf ein physisches Spielfeld übertragen. Was interessant zu beobachten sein könnte. Und es bietet auch durchaus interessante Möglichkeiten, Spieler an bestimmte Orte in der physischen Welt schicken zu können.

Das wäre zum einen tatsächlich Gamification für kulturelle Dinge - wenn ich sie an bestimmte Orte lotse, schauen sie sich da ja vielleicht auch um. Zum anderen lässt sich das auch für Werbezwecke einsetzen. AllThingsD nennt bereits erste Unternehmen, mit denen Google hierzu gesprochen hat. Der Geo-Ansatz mit echten Locations hat zudem den netten Nebeneffekt, dass Google dazu Kartenmaterial en masse besitzt. Auch was Routenplanung oder öffentliche Verkehrsmittel angeht.

Alles in allem ist Ingress eine spannende Idee. Auch wenn nicht gesagt ist, dass es abhebt - es kann auch gnadenlos langweilig werden und ohne Spieler vor sich hin vegetieren.Wenn es aber funktioniert, dann treibt es die spielerische Verknüpfung von digitaler und physischer Welt weiter voran. Und kann eine interessante Fallstudie ergeben dazu, was sich mit Alternate-Reality-Spielkonzepten und Geodaten so alles anstellen lässt.



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