Sonntag, 20. Mai 2012

Mobile-Markt: Android vs. iOS oder die Frage, ob sich Geschichte wiederholt


Manchmal scheint es im Mobile-Geschäft um mehr als nur um Geschäft zu gehen. Als wäre der Wettstreit zwischen Apples iOS und Googles Android nicht schlicht das Aufeinandertreffen zweier Betriebssysteme, zweier Marken, sondern eine epische Schlacht: Gut gegen Böse, Richtig gegen Falsch, Goliath gegen, naja, Goliath.


Es ist immer irgendwie erheiternd, wenn es geframt wird als Kampf des bösen Monopolisten gegen den aufmüpfigen kleinen Freiheitskämpfer. Wir reden hier vom Wettstreit zwischen der wertvollsten und der drittwertvollsten Marke der Welt

Aber bleiben wir bei der Duell-Darstellung, auch wenn diese Samsung, Microsoft & Co. maximal Raum für die Rolle der Sekundanten oder der Zuschauer lässt. Denn diese mythische Überhöhung gründet sich nicht nur darauf, dass es um zwei Riesen und einen relevanten, umsatzträchtigen Markt geht. Hier treffen zwei Philosophien aufeinander. Es geht um den Kampf Offen gegen Geschlossen, Chaos gegen Kontrolle, Individualisierbar gegen Vorgeschrieben. Kurz darum, ob Apples geschlossener, streng zurecht geschnittener Garten oder Androids bewusst geförderter Wildwuchs das mobile Ökosystem darstellen, in dem man leben will.

Es geht darum, welche Philosophie die richtige ist, ob sich die Wahrheit mittels Zahlen beweisen lässt und ob sich Geschichte wiederholt.

Schließlich handelt es sich hierbei schon allein im Digitalsegment um einen historischen Konflikt: Offen gegen Geschlossen war auch das Motto im Anfangswettstreit zwischen Microsoft und Apple, der offene Windows-Rechner gegen den Aus-einer-Hand-Mac. Und später trafen die Walled Gardens von AOL, Yahoo & Co. auf die offene Prärie des World Wide Web, in der alles erlaubt war.

In beiden Fällen hatten die geschlossenen Systeme einen Startvorteil, letztendlich gewann aber die offene Lösung, fehlte dem Walled Garden die Flexibilität und Dynamik, um langfristig mitzuhalten.

Und im Mobile-Markt? Sieht es bislang nicht danach aus. 

Android liegt vorn? Welches denn?

Aller Jubelmeldungen um Androids Wachstum und tolle Marktanteile zum Trotz: Entschieden ist noch nichts. Weil bei Zahlenvergleichen meist Größen aufeinandertreffen, die nicht wirklich gleichzusetzen sind. Alle Varianten von Android-Handys mit der überschaubaren iPhone-Baureihenzahl etwa, wenn es um Endgerätezahlen geht. Androids größere Verbreitung und größerer Marktanteil bei Smartphone-Betriebssystemen (in den USA bei rund 50 Prozent) folgt aus der größeren Zahl von Gerätetypen der unterschiedlichsten Preisklassen, auf denen Android läuft. Nur läuft auf denen nicht überall eine vergleichbare Version.

Damit gibt es streng genommen nicht einen Android-Markt, sondern mehrere. Insbesondere mit Blick darauf, welche Version und welches Gerät welche Features unterstützen. Ein Bild auf einen Teil des Testarsenals von Entwickler Animoca zeigt, was das heißt:

Quelle: Animocas Blog.


Dies stellt einen kleinen Teil ihres Bestands von rund 400 Geräten dar, auf denen sie Kompatibilitätstests durchführen. Zugegebenermaßen blähen die vielen Günstig-Geräte des asiatischen Marktes das auf, aber Daten von OpenSignalMaps setzen auch schön ins Bild, was gemeint ist, wenn wir von Androids Fragmentierung reden.

Quelle: OpenSignalMaps Site.

So sieht der Wildwuchs aus, der mit Androids schneller Verbreitung einhergeht. Aus dieser Fragmentierung erklärt sich auch, wieso Apple sich noch keine großen Sorgen machen muss: Der Entwicklungsaufwand, den diese verschiedenen Android-Geschmacksrichtungen und Gerätetypen mit sich bringen, liegt höher als der für iOS. Die Zahlungsbereitschaft der Nutzer dagegen nach wie vor niedriger. Aus Apples Perspektive wird der höhere Android-Marktanteil aber nur dann eine Gefahr, wenn er Entwickler und Umsatz von iOS in signifikantem Maß abzieht, iOS nicht erste, sondern zweite oder dritte Plattformwahl wird. Danach sieht es bislang nicht aus.

Die interessante Frage lautet also: Setzt sich diesmal der Walled Garden gegen die Offenheit durch?

Zumindest verliert er momentan nicht. Durch Apples starken Startvorteil hat zunächst jeder für iOS programmiert. Das bringt – aller undurchsichtigen Apple-Prüfprozesse zum Trotz – die Dynamik und Flexibilität in das Ökosystem, mit der es sich trotz Walled-Garden-Konzept weiterentwickeln kann. In Sachen Dynamik kann Android iOS jedenfalls nicht überholen. Gerade weil es für Entwickler aufwändig und Stand jetzt weniger umsatzträchtig ist, gibt es keinen massenhaften Exodus aus Apples umzäuntem Garten.

Muss nicht Apple offener, sondern Google restriktiver werden?

Dass sich die Geschichte nicht wiederholt, könnte mit daran liegen, dass Mobile-Geräte eher zum Konsum als zur Produktion von Inhalten dienen. Und Apples App Store liegt da – auch aufgrund der angesprochenen Kompatibilitätspunkte – schlicht vor Google Play. Auch wenn der Abstand zu Google Play geringer ausfällt als der zum Vorgänger Android Market. Der bessere, leichtere Zugang zu Inhalten ist ja der wesentliche Beweggrund für das Update hin zu Google Play. Der Erfolg etwa von Amazons Kindle Fire bestätigt, wie wichtig das Inhalte-Ökosystem, das breite, einfach zugängliche Angebot ist. Der One-Stop-Shop und die 1-Klick-Lösung zum Bezahlen.

Die Gefahr für Google dabei skizziert der Kindle Fire auch: Dass ein Unternehmen kommt, sich dankend seine eigene Variante von Android zurecht strickt, so dass wieder ein abgegrenztes Ökosystem entsteht, und dann mal eben binnen eines halben Jahres 50 Prozent des Android-Tabletmarkts erobert.

So wie es aussieht, wird also nicht Apples Garten verkümmern. Stattdessen muss Google mehr zum Gärtner werden. Play stellt einen Ansatz dar, mehr Ordnung und Übersicht in die Nutzbarkeit von Android zu bringen. Die Triebe und Umtriebe mancher Hersteller wie Carrier dürfte Google auch beschneiden müssen, bevor sich jeder seine eigene Fassung strickt. Die angekündigten neuen Modelle der Nexus-Handys samt Motorola als eigenem Unternehmen könnten da schon disziplinierend wirken. Mit einer Handvoll Hersteller will Google hier ja direkter zusammenarbeiten als sonst. Ein anderer wichtiger Punkt wäre, tatsächlich den Anteil der zumindest auf der gleichen Android-Version laufenden Smartphones zu erhöhen. Bei der Android-Version Ice Cream Sandwich (4.x) ging es auch darum, wieder mehr Einheitlichkeit zu schaffen. Das hat nur nicht sonderlich gut geklappt, wenn man sich Statistiken über die verbreiteten Android-Fassungen ansieht.

Das Rennen ist noch jung

Bislang siegt Offenheit nicht, bislang wiederholt sich Geschichte nicht. Und wenn Android aufholen will, dann dadurch, dass sie Offenheit in Teilen aufgeben. Das mag philosophisch unbefriedigend sein, rein wirtschaftlich stellt es sich aber so dar. Zum jetzigen Zeitpunkt zumindest, das Rennen ist noch jung. 

Aber nutzerseitig ist uns ohnehin am meisten damit gedient, wenn keiner gewinnt, sondern sich möglichst mehrere Betriebssysteme im Markt tummeln. Entwicklungstechnisch betrachtet sind Monokulturen nämlich nie gut, entwickeln sich nicht fort und sind anfälliger.

Der Internet Explorer wurde schließlich auch erst durch Firefox & Co. wieder auf Trab gebracht.

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