Als Facebook das Timeline-Profil eingeführt hat (bei uns heißt's Chronik), gab es einige Witze darüber, wie Mark Zuckerberg weiter das exponentielle Wachstum persönlicher Daten sicherstellen will. Eine humoristische Schreckensvision bestand darin, dass in der Zukunft Biosensoren unsere medizinischen Werte einfach automatisch posten.
So weit ist es noch nicht, aber ab jetzt können zumindest US- und UK-Nutzer ihren Angehörigen, Freunden, dem Rest der Welt und Facebook mitteilen, dass und warum sie Organspender sind. Als Eintrag im Chronikprofil lässt sich das nun anlegen. Wer noch nicht Organspender ist, findet von diesem Punkt aus via Facebook zu den zuständigen Stellen. Und natürlich lässt sich die Organteilungsbereitschaft auch als Post im Stream teilen, mit den gleichen Freigabeoptionen wie bei anderen Posts auch.
Es bleibt abzuwarten, ob das das lebensrettende Feature darstellt, als das Facebook es angekündigt hat. Aufmerksamkeit auf das Thema Organspende gelenkt hat es auf jeden Fall.
Der britische NHS berichtet von dreimal so viel Registrierungen wie sonst, Donate Life California verzeichnet einen Anstieg um satte 1300 Prozent.
Der Auftakteffekt fällt also massiv aus. Und die Grundidee scheint schlüssig: Über den Social Graph auf das Thema hingewiesen werden dürfte besser wirken als auf der Führerscheinstelle, es erzeugt Aufmerksamkeit und einen gewissen sozialen Druck, wenn die Freundesliste verkündet, dass sie Organspender sind und warum.
Klassischerweise registrieren sich ja nicht deshalb zu wenige als Organspender, weil sich Menschen bewusst und informiert weigern. Sondern aus Faulheit oder diffusen Ängsten. Nicht umsonst wird ja regelmäßig darüber diskutiert, ob statt der Opt-In ("Ja, ich will spenden") nicht eine Opt-Out-Regelung ("Widersprich, wenn du nicht spenden willst") eingeführt werden sollte. Da kann das Vorbild des Facebook-Freundeskreises vermutlich in der Tat mehr bewirken als Kampagnen - und kostet vor allem eigentlich nichts.
Auf der anderen Seite ist die pure Mitteilung, dass man Organspender sei, weder eine Registrierung noch sonstwie bindend. Und ein Posting von vielen, dass dann zwischen "Liege am Strand", "So sieht mein Mittagessen aus" und "Ich höre gerade folgende grauenhafte Musik" durchrutscht.
Insofern bleibt, nüchtern betrachtet, über die Zeitlinie hinweg das interessante Experiment, wie sozial Social Media denn sein kann und ob sich hier medial kommunizierter Gruppendruck aufbauen lässt. Beispiele rund um Naturkatastrophen haben durchaus schon gezeigt, dass das Netzwerk hilfreich sein kann, bei Statusmeldungen rund um Erdbeben etwa. Über Nachhaltigkeit sagt das allerdings noch nicht viel aus.
Bedenken, dass die Nutzer damit noch gläserner werden, sind dagegen eher übertrieben. Zum einen lässt sich die Sichtbarkeit des Eintrags entsprechend bearbeiten, zum anderen wird kaum am nächsten Tag die chinesische Organhändlermafia an der Tür klingeln. Und der Werbeindustrie hilft es jetzt auch nur begrenzt weiter. Insbesondere, wenn man all die anderen Datenquellen berücksichtigt, die sich heranziehen lassen. Nette Nebenbemerkung dazu: Die Supermarktkette Target etwa schafft es - über die Daten, die sie insbesondere offline bei Käufen in den Filialen sammelt - statistische Wahrscheinlichkeiten zu berechnen, ob eine Kundin schwanger ist und wann ungefähr das Kind geboren wird. Anhand ihrer Einkäufe.
Besorgniserregend wird der Facebook-Organspender-Status höchstens dann, wenn Posts über das neue Motorrad oder die geplante Bikertour auf einmal zig Likes von unbekannten Leuten erhalten.
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