Wenn Menschen über die Sicherheit ihrer Daten bei Social-Media-Plattformen reden und die Angst, nackt vor der Öffentlichkeit zu stehen, zu viel preiszugeben, dann denken sie meist an Facebook, an Google, an böse Werbefirmen und vielleicht den Staat.
Wie gemeingefährlich der eigene Kühlschrank ist und wie hinterhältig sein Verrat ausfallen kann, daran denkt kaum einer. Bis auf das brasilianische Ernährungsumstellungsprogramm Meta Real und die Agentur JWT Sao Paulo. Die haben sich mit dem Virtual Fridge Lock einen findigen Weg einfallen lassen, das Social Network Facebook als Hebel für motivationsfördernden sozialen Druck zu nutzen.
Quelle: JWT Demo-Video. |
Das am Kühlschrank befestigte "Schloss" verpfeift nämlich seinen Besitzer, wenn er nachts selbigen plündern will. Via Posting auf Facebook, damit die Freunde es mitkriegen und kommentieren können. Das soll die Nutzer davon abhalten, in schlechte (Ernährungs-) Gewohnheiten zurückzufallen und sich wieder den Wanst vollzuschlagen. Der Spion, der mit der Kälte kam, überträgt damit eine sozialpsychologische Erkenntnis aus der physischen Welt in die Social-Media-Entsprechung: Der Einsatz von der Peer Group mitgeteilten Entscheidungen als Hebel für motivationsfördernden, positiven sozialen Druck. Der gleiche Grund, aus dem manche raten, die eigenen Pläne für Fitness-, Diät- oder ähnliche Pläne den Freunden mitzuteilen.
Der Grad der wahrgenommenen Verpflichtung steigt, für den Betreffenden wird der Plan durch die Äußerung nicht nur realer, die eigene Peer Group kommt als korrektiver Druckfaktor hinzu. Vor denen würde man schließlich auch versagen. Und Menschen wollen weder als wankelmütig noch willensschwach angesehen werden, sondern sozial konsistentes Verhalten zeigen. Anders ausgedrückt: Nicht vor Freunden und Bekannten blöd dastehen, weil sie's nicht durchgezogen haben. In JWTs Demo-Video sieht das dann so aus:
Der Grad der wahrgenommenen Verpflichtung steigt, für den Betreffenden wird der Plan durch die Äußerung nicht nur realer, die eigene Peer Group kommt als korrektiver Druckfaktor hinzu. Vor denen würde man schließlich auch versagen. Und Menschen wollen weder als wankelmütig noch willensschwach angesehen werden, sondern sozial konsistentes Verhalten zeigen. Anders ausgedrückt: Nicht vor Freunden und Bekannten blöd dastehen, weil sie's nicht durchgezogen haben. In JWTs Demo-Video sieht das dann so aus:
An diesem Projekt gibt es zwei interessante Aspekte: Zum einen versucht es diese sozialpsychologische Dynamik über die Social-Media-Plattform zu nutzen und so ohne direkten physischen Kontakt skalierbar zu machen. Zum anderen setzt es explizit auf sozialen Druck (wenn auch freiwilligen eingegangenen), nicht auf positive Motivationsförderung. Also nicht, wie etwa die Organspender-Funktion auf Facebook, auf das Vorbild der Freunde oder wie diverse Lauf-Apps auf die via Like & Co. ausgedrückte Unterstützung des Freundeskreises. Sondern es droht mit dem Netzpranger, der selbst gewählten Blamage vor dem Social Graph. Also Peitsche statt Zuckerbrot.
Willkommen am Facebook-Pranger, Hals bitte hier ablegen
Eine ähnliche Logik listet Springwise (über deren Post ich auf das Thema gestoßen bin) auch für Aherk auf. Das Startup setzt noch viel deutlicher auf den Facebook-Pranger und darauf, dass Nutzer bewußt selbst ihren Hals hineinstecken. In ihren eigenen Worten:Aherk! is a goal-oriented self-blackmailing service in three easy steps.
Zunächst legt der Anwender sein Ziel fest, das er erreichen will und bis wann. Dann knüpft er sich die Schlinge, indem er ein kompromittierendes Foto seiner Selbst in die App hochlädt. Nach Ablauf der Frist stimmen die Facebook-Freunde darüber ab, ob das Ziel erreicht ist. Falls nicht, geht das Foto auf Facebook live.
Hier geht es also gar nicht mehr um Konsistenz im Verhalten, hier geht es schlicht um den Knüppel. Das ist ein kruderer, aber dafür weniger abstrakter Weg, sich selbst zu motivieren. Gleichzeitig lässt sich so empirisch ermitteln, wie hoch der Arschloch-Faktor unter den eigenen Freunden ist, sprich, wer in jedem Fall auf "versagt" votet, damit das Foto live geht.
Die beiden Projekte verbindet die Tatsache, dass es eher um den Stock als um die Karotte als Motivation geht. Soll heißen: Beide arbeiten mit negativer Incentivierung. Tue das, was du dir vorgenommen hast, oder es hat negative Folgen. Bislang dominieren bei entsprechenden Social-Media-Konzepten eher positive Incentivierungen ("Lass dich von deinen Freunden unterstützen, um..."). Motivationspsychologisch kann beides funktionieren. Kann, wohlgemerkt. Oder wie viele Raucher kennt ihr, die euch schon mehrmals erzählt haben, dass sie jetzt aufhören?
Die interessante Frage wird sein, wie gut diese Dynamiken in Social Media greifen. Und wie gut der Positiv- und der Negativ-Ansatz im Vergleich abschneiden. Grundsätzlich greifen sollte die Dynamik, aber vielleicht in schwächerem Maße. Denn auch ohne den - sagen wir, physischen - Kontakt sind Social-Media-Interaktionen und -Beziehungen natürlich real, wenn auch tendenziell kanalreduziert. Die Trennung in "real" und "virtuell" ist ohnehin Unfug.
Es bleibt abzuwarten, ob ein Trend daraus wird, dass Menschen gleichsam den eigenen Schweinehund auf Facebook einladen. Und ob sie das weiterbringt.
Ich geh' jetzt jedenfalls 'ne Runde laufen. Und ihr könnt mir nicht das Gegenteil beweisen.
Hier geht es also gar nicht mehr um Konsistenz im Verhalten, hier geht es schlicht um den Knüppel. Das ist ein kruderer, aber dafür weniger abstrakter Weg, sich selbst zu motivieren. Gleichzeitig lässt sich so empirisch ermitteln, wie hoch der Arschloch-Faktor unter den eigenen Freunden ist, sprich, wer in jedem Fall auf "versagt" votet, damit das Foto live geht.
Die beiden Projekte verbindet die Tatsache, dass es eher um den Stock als um die Karotte als Motivation geht. Soll heißen: Beide arbeiten mit negativer Incentivierung. Tue das, was du dir vorgenommen hast, oder es hat negative Folgen. Bislang dominieren bei entsprechenden Social-Media-Konzepten eher positive Incentivierungen ("Lass dich von deinen Freunden unterstützen, um..."). Motivationspsychologisch kann beides funktionieren. Kann, wohlgemerkt. Oder wie viele Raucher kennt ihr, die euch schon mehrmals erzählt haben, dass sie jetzt aufhören?
Die interessante Frage wird sein, wie gut diese Dynamiken in Social Media greifen. Und wie gut der Positiv- und der Negativ-Ansatz im Vergleich abschneiden. Grundsätzlich greifen sollte die Dynamik, aber vielleicht in schwächerem Maße. Denn auch ohne den - sagen wir, physischen - Kontakt sind Social-Media-Interaktionen und -Beziehungen natürlich real, wenn auch tendenziell kanalreduziert. Die Trennung in "real" und "virtuell" ist ohnehin Unfug.
Es bleibt abzuwarten, ob ein Trend daraus wird, dass Menschen gleichsam den eigenen Schweinehund auf Facebook einladen. Und ob sie das weiterbringt.
Ich geh' jetzt jedenfalls 'ne Runde laufen. Und ihr könnt mir nicht das Gegenteil beweisen.
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