"Der Like-Hype ist vorbei" tönte es Anfang der vergangenen Woche zum Auftakt einer Diskussion um Marken und ihre Facebook-Aktivitäten. Kern dabei war allerdings sinnigerweise die Frage, ob die Chronik denn den Fan-Zahlen schade. Damit will ich mich gar nicht lange aufhalten, konkrete Antworten, wieso sich diese Aussage noch gar nicht treffen lässt und warum sie auch ansonsten wenig überzeugt, finden sich schließlich schon bei Thomas Hutter oder Futurebiz.
Mich hat eher der Titel angesprungen, um den es dann im weiteren Verlauf nur noch begrenzt ging. Der Like-Hype ist vorbei? Das atemlose Aufpumpen der Fanzahlen passé?
Glaub' ich nicht. Nicht, so lange auf Facebook Marken-Betreuer aktiv sind, die sich auch ausziehen würden für Likes.
Zeitgleich zur Diskussion starteten passenderweise die Modemarke Stüssy Amsterdam und die Agentur Arnold Amsterdam die Kampagne Strip for Likes. Ein Model wurde in so ziemlich alles eingehüllt, was der neue Katalog hergibt. Und dann entblätterte sie sich Stück für Stück, angetrieben durch Like-Klicks. "Like to see less" war der wenig tiefgründige Copytext dazu.
Quelle: Stüssy Amsterdams Facebook-Site. |
Statt "der Like-Hype ist vorbei" also "Wir strippen auch für Klicks".
Ich will jetzt gar nicht darüber diskutieren, ob das nach Facebooks Regularien überhaupt zulässig ist. Auch nicht darüber, ob die Kampagne jetzt lustig und verspielt oder doch eher doof und sexistisch wirkt.
Aber wie weit sind andere denn von ähnlichen Konzepten entfernt? Davon, sich notfalls auch auszuziehen für die kostbaren Klicks? Verfallen demnächst findige Agenturen und Marken darauf, dass sich Mitarbeiterinnen und Testimonials lasziv in der Produktauswahl wälzen – vom Shop-Portfolio über Automarken bis hin zum Schraubenhersteller?
"Wir strippen auch für Klicks" stellt für einige vermutlich keinen weiten Gedankensprung mehr dar. Im Sinne von "ich mache auch das Produkt- und markenfernste, Hauptsache ich kriege Fans". Noch immer setzen viele darauf, sich mit eher sinnfreien Gewinn-Aktionen Nutzergunst schon fast zu erkaufen (tatsächlich kaufen lassen sich Nutzer und Klicks auch, dazu mehr hier). Und das war’s dann leider in einigen Fällen. Atemloses Hinterhecheln nach einer möglichst hohen Fan-Zahl. Ende des Konzepts. Pure Klick-Prostitution ohne zweiten Akt.
Das eingangs erwähnte Wehklagen kapriziert sich schließlich nur auf die Wachstumszahlen bei den Fans. Von danach erreichter Aufmerksamkeit, Lebenszyklus des durchschnittlichen Fans oder gar Interaktionsmetriken und dem allseits beliebten ROI steht da null, nix, niente. Wenn die Social-Media-Strategie aber beim Punkt "X Fans gewinnen" aufhört, dann steht die Marke tatsächlich mit runtergelassenen Hosen da. Umso mehr, wenn dafür dann jedes Mittel herangezogen wird. Mit Image-Wirkung, Markenbindung und ähnlichen Dingen hat das dann nicht mehr viel zu tun.
Blicken wir zur Verdeutlichung noch mal auf die Stuss Stüssy-Kampagne: Da wirbt eine Modemarke mit einem sich entblätternden Model um Likes. Nun mag man einwenden, dass das a) bei der Männer-Zielgruppe doch gut funktioniere, die b) so öfter klicke, häufiger zurück komme und c) überhaupt den so vorgeführten Produkten mehr Aufmerksamkeit schenke als im Katalog. Punkt a) und b) mag sein, an c) habe ich gewisse Zweifel. Die Aufmerksamkeit und mentale Leistung dürfte eher anderen Dingen gelten als 'nettes Shirt, so eins könnte ich auch brauchen'.
Die reine Fan-Zahl als des Kaisers neue Facebook-Kleider
Klar sammelt die Marke so Gefällt-mir-Klicks. Aber was bedeutet das denn? Die Aktion heischt um Zuneigung der Facebook-User, ausgedrückt durch den virtuell erhobenen Daumen. Wie bei jeder Art von Maßnahme, die Likes incentiviert, gilt da die Frage: Wer davon fühlt sich der Marke verbunden und bleibt es auch nach der Aktion, wen erreiche ich danach eigentlich nicht mehr, weil sich mit Ablauf der Aktion oder des Gewinnspiels auch das Interesse des Nutzers verflüchtigt?
Natürlich ist es legitim (und auch notwendig), dass Marken erst einmal Reichweite aufbauen. Aber eine quantitative Fan-Zahl stellt keine echte Reichweite dar. In die Rubrik fallen nur die, die danach Markenbotschaften zumindest noch aktiv zur Kenntnis nehmen. Die Gewinnung von Fans ist mithin nur ein erster Schritt, beileibe kein abschließender. Mit dem einmal gewonnenen Klick ist nämlich noch nicht viel errungen in Sachen Erfüllung der Social-Media-Ziele. Wenn ein Social-Media-Konzept nicht darüber hinaus denkt, wirkt es bei der Präsentation wie eine Modenschau zu des Kaisers neuen Facebook-Kleidern. Die Stüssy-Kampagne ist da bei weitem nicht das substanzloseste.
Wenn Hype-Ende hieße, dass sich keiner mehr auf Sinnlosigkeiten kapriziert, sondern stimmige Konzepte einziehen und weiter gedacht wird als bis zum ersten Klick, dann wäre das absolut zu begrüßen. Daran müssen einige aber noch stricken.
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