Freitag, 24. Februar 2012

The Internet is for Porn – gibt es eine Rule 34 für Geschäftsideen?

Vorbemerkung: Wie eigentlich schon der Titel dieses Posts klar machen sollte, hat er zumindest das Potenzial, NSFW zu sein.

In den letzten Wochen fällt eins wieder auf: Kaum gehen genug Artikel über ein heißes neues Startup, eine gute neue Internet-Idee rum, folgen kurz darauf unweigerlich die Sexindustrie-Klone. Bei Pinterest etwa Snatchly oder Pornterest (kreativ, Jungs). Und bei Crowdfunding-Plattformen, bei denen letztens der ebenso zügige wie erfreuliche Erfolg der Kickstarter-Finanzierung von Double Fine Adventure für Schlagzeilen sorgte, schlägt jetzt die Porno-Variante Offbeatr auf. (Über die ich via Technikfaultiers Google+-Stream gestolpert bin.)
Das ist kein Witz, die Jungs haben sogar ein Präsentationsvideo:



Vielleicht liegt’s nur an mir, aber durch Gruppenleistung ermöglichter Pornofilm klingt irgendwie dreckig. Wer seine Bude allerdings Offbeatr nennt, dem ist das auch schon egal.

Die Frage, die sich mir hier nun stellt, ist: Gibt es eine Rule 34 für Internet-Geschäftsideen? Frei nach dem Motto: Wenn du es dir als Online-Site vorstellen kannst, gibt es eine Porno-Variante davon? Wir könnten es ja Regel 44 nennen, die ist noch frei. (Nein, wir werden’s nicht Regel 69 nennen, ihr Armleuchter.)

(Regel 34, für diejenigen, die gerade irritiert schauen, ist ein Internet-Mem, das besagt: If you can think of it, there’s porn of it. Soll heißen: Wie abstrus etwas auch sein mag, irgendwo im Internet gibt es dazu pornografisches Material. Ohne Ausnahme.)

Denn ein neues Phänomen sind die Porno-Klone nicht, und wirtschaftlich ohne Relevanz ist das Branchenfeld ebenfalls nicht. Im Internet hat es mit .xxx immerhin inzwischen sogar seine eigene Top Level Domain. Bei einigen Internet-Ideen ist der gedankliche Sprung ja auch ein kurzer: Eine Bildercommunity wie Tyler Durden schlimmster Albtraum (Pinterest), deren Witz voll im Visuellen liegt, macht mit entsprechender Branchenbrille betrachtet vermutlich ähnlich viel Sinn wie eigene Videoportale. Und was Crowdfunding angeht, dürfte zumindest der Punkt, bei potenziellen Geldgebern ein gemeinsames Interesse zu finden, bemerkenswert unkompliziert sein.

Nun erwecken diese Klonarmeen den Eindruck, schlichte Kopier-Zecken zu sein, gewissermaßen die XXX-Variante der Samwer-Brüder. Historisch betrachtet wäre das Bild der Erotikindustrie als Kulturfolger ja auch stimmig – über Zeichnungen, gedruckte Werke bis hin zu Film hat diese Branche gerne Ideen und technische Neuerungen für sich adaptiert.


"It's always about the girls"?
Ohnehin gibt es ja etwa in der Kultursoziologie Spielarten der Sublimierungstheorie, wonach tatsächliche kulturelle Leistungen auf Triebunterdrückung basieren. Soll heißen: Antriebskraft hinter Leistungen in Wissenschaft, Kunst, Musik, Sport oder Arbeitsleben sind unterdrückte, umgeleitete Triebwünsche, da diese kulturellen Leistungen nicht nur gesellschaftlich legitimiert, sondern auch höher gewertet sind. Der Ansatz basiert auf Sigmund Freud (ja, ich weiß, das überrascht keinen), taucht aber auch bei Adorno und Max Weber auf. Demnach wäre, zugespitzt gesagt, von der Erotikindustrie gesellschaftlich betrachtet ohnehin kein hilfreicher Beitrag zu erwarten.

Diese Theorieansätze lassen nicht nur Beschwerden darüber zu, warum die langhaarigen Hippies nichts auf die Reihe gekriegt hätten oder Teenager in der Pubertät zu nichts zu gebrauchen sind – das Motiv wird auch gern auf erfolgreiche Internet-Unternehmen angewandt. Autor Ben Mezrich etwa hat in seiner Facebook-Gründungsgeschichte The Accidental Billionaires (verfilmt als The Social Network) als Impuls für Mark Zuckerberg ja auch identifiziert, dass der eine Freundin abkriegen wollte. Passt wunderschön zum Klischee der IT-Kellernerds. Hat nur leider den Haken, dass es nicht stimmt und überdies "It’s always about the girls" mehr über Mezrich als über Zuckerberg aussagt – das gleiche Motiv bedient er auch in Sex on the Moon oder Bringing down the House (als 21 verfilmt).

Mal davon abgesehen, dass diese Theorien zwar ein interessanter Ansatz, aber nur begrenzt tragfähig sind, übersieht dieses Konzept auch die Rolle der Erotikbranche als Kultur- und Technologie-Treiber. Die Geschichte, wieso sich VHS gegen Betamax durchgesetzt hat, dürfte ja bekannt sein. (Sexfilme gab es nur auf VHS). Auch für die Entwicklung von Online-Bildübertragung, Video-Streaming oder Breitbandverbindungen spielte der Einfluss dieses Branchenfelds eine Rolle. Aufgrund des technischen Bedarfs und einer Zielgruppe, die auch tatsächlich Zahlungsbereitschaft mitbrachte - immer noch der heilige Gral der Online-Geschäftsmodelle.

Worauf das hinauslaufen soll? Auf nichts, eigentlich. Das sind Gedanken zum Feierabend, zu späterer Stunde und mit einer kompletten Arbeitswoche in den Knochen vor dem Laptop sitzend runtergetippt.

Vielleicht auf dies: So nervig Kopisten sind – im Netz ist eigentlich genug Platz, auch für viel überflüssiges. Lasst sie kopieren, lasst sie umtriebig sein und schaut, ob dabei vielleicht irgendwo wieder eine Dynamik entsteht, die uns alle irgendwie weiter bringt.

Schließlich wissen wir ja alle letztendlich auch: "The internet is for porn, the internet is for porn, why d’you think the net was born…"


Und, extra für's Faultier: Die WoW-Variante.

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