Montag, 1. April 2013

Gedanken zur Zukunft der Medien, Teil 2: Was ist ein Artikel wert?

Im zweiten Teil einer Reihe von Gedanken zur Zukunft der Medien wird es um Paid Content gehen. Nachdem sich der erste Teil damit auseinander gesetzt hat, dass der bloße Blick auf Reichweiten zur Werbevermarktung uns nicht wirklich weiter bringt, sondern einiges an auch inhaltlichen Risiken birgt, scheint es logisch, sich weiteren Erlösquellen zu widmen.

Denn die simple Erkenntnis ist: (Text-)Medien werden im Großen und Ganzen gar keine andere Wahl haben als Geld für ihr Tun von ihren Nutzern zu verlangen. Es geht hier nicht um abstrakte Diskussionen, es geht um simple Arithmetik. 

Die gefürchtete Bezahlschranke. Erstens ein blöder Begriff. Und zweitens werden wir nicht drumrum kommen. Bild: Hartum Fischer / Pixelio.de

Wer Zweifel daran hat, dass die Werbevermarktung allein für den Markt nicht ausreichen wird, sei neben Teil 1 auch auf den aktuellen Report The State of the News Media 2013 des Pew Resarch Centers verwiesen. 
Dort finden sich nicht nur Fakten wie der, dass die US-Zeitungen 2012 ein Drittel weniger angestellte Redakteure aufweisen als 2000 und durch Kürzungen eine Medienlandschaft entstanden ist, in der fast ein Drittel der Befragten sich von einem Titel abgewandt hat, weil er nicht mehr die Art von Informationen bietet, die sie gewohnt sind und erwarten. Mit Blick auf die Säule Werbeerlöse stellt Pew auch fest:

"The news industry continues to lose out on the bulk of new digital advertising. Two new areas of digital advertising that seemed to bring promise even a year ago now appear to be moving outside the reach of news: mobile devices and local digital advertising."

Der Großteil der Branche wird weitere Erlösquellen neben Werbung schlicht brauchen. Und Paid-Content-Konzepte, bei denen die Nutzer direkt zahlen, sind dafür ein logischer Kandidat. 

Klassischerweise lautet der erste Einwand hierzu: "Mein Gott, wer soll denn dafür zahlen?" Interessanterweise ein Einwand, den gerade Journalisten oder ehemalige Journalisten gern vorbringen. Nun ist ein gewisses Maß an kritischem Zynismus in diesem Beruf durchaus nützliches Handwerkszeug. Aber ganz ernsthaft: Wenn meine Einstellung dem was ich tue gegenüber "dafür würde doch keiner was zahlen" ist, dann sollte ich vielleicht darüber nachdenken, ob ich nicht andere Arten von Texten schreiben sollte.

Denn das ist ja die andere Erkenntnis aus der obigen Pew-Passage: 31 Prozent haben einem Medium den Rücken gekehrt, weil es ihre Erwartungen nicht mehr erfüllt. Nicht das bietet, was es sollte. Es geht hier gar nicht darum, dass Print Leser verliert, weil diese die Infos auch anderweitig kriegen können. Es geht darum, dass sie das, was sie wollen, in Print und anderswo nicht mehr ausreichend geboten bekommen. Aufgrund von Sparkursen, die wiederum mit insgesamt zu wenig Erlösen zu tun haben. Was den Punkt "zusätzliche Einnahmequellen" noch relevanter macht.

Tragfähiger ist der Kritikpunkt an Paid-Content-Konzepten, dass es Inhalte zum gleichen Thema doch auch anderswo gebe, Nutzer also schlicht ausweichen könnten. Das stimmt dann, wenn die Inhalte austauschbar sind, was auch viel damit zu tun hat, inwieweit das Medium selbst austauschbar ist. Vollständig und schmerzfrei substituierbare Medien haben schlechte Karten für die Zukunft. Deshalb ist die Überdehnung in vielen Medien, die ihre Inhalte weniger einzigartig und wertvoll macht, ja perspektivisch so gefährlich.

Für die automatisch rübergehobene dpa-Meldung, die auf einem Dutzend anderer Seiten auch steht, fällt die marginale Zahlungsbereitschaft wohl eher überschaubar aus. Gleichzeitig kostet diese das Medium aber auch nicht wirklich viel. dpa-Meldungen auf Websites dienen neben dem Abdecken von Themen, die man mitnehmen sollte, aber niemanden vor Ort hat, oft genug schlicht dem Grundrauschen. Dieses Grundrauschen hinter einer Paywall zu kanalisieren, wäre sowieso unsinnig. Diese Art Inhalt kann ohnehin nicht die Leistung eines Mediums sein, weil es keine Eigenleistung ist. Sie stellt einen Service dar – Marke "das passiert übrigens auch in der Welt, wenn du, lieber Nutzer, schon mal hier bist". (Das ist, aber dazu komme ich in einem anderen Text, meiner Meinung nach übrigens auch die Art, wie Printzeitungen damit umgehen sollten.) Gleiches gilt für andernorts abgeschriebenes.

Ein aus austauschbaren Inhalten bestehendes Medium ist selbst austauschbar. Das sollte selbsterklärend sein. Insofern: Natürlich lässt sich nicht für jede Art von Inhalt erfolgreich Geld verlangen. (Ich schreibe hier übrigens nur deshalb "Inhalt", weil es auch andere Formen von medialen Produkten als Text oder Artikel gibt. Grundsätzlich wären mir diese Begriffe weit lieber, weil Journalisten eben keine Content-Fabrikanten sein sollten. Ich kann mich in diesem Text dieser Terminologie nur nicht ganz entziehen.)


Warum bieten wir welche Art von Text?

Das wiederum sollte den Blick darauf lenken, warum welche Art von Inhalt überhaupt angeboten wird. Online hat zu ein paar wesentlichen Veränderungen im Mediengeschäft geführt. Strukturell betrachtet ist gerade die Enträumlichung, der Wegfall räumlicher Distanz als begrenzender Faktor auffällig. 

Im klassischen Tageszeitungsgeschäft – gerade in den Einzeitungskreisen – war die Weitergabe an sich austauschbarer Information eine durchaus sinnvolle Leistung. Die dpa-Meldungen, die in zig anderen Zeitungen auch stehen, bekam der Leser – da er nur eine Zeitung las und lesen konnte – vermutlich in der Tat selbst nur aus dieser einen Quelle (oder TV und Radio, gut.) Damit war es ein für ihn durchaus relevantes Angebot, neben den anderen Inhalten. 

Das gilt nicht mehr, sobald die Nutzer auch andere Medien, etwa Online-Medienseiten, nutzen. Sie haben andere Zugangswege zu dieser austauschbaren Information. Dafür gibt es also eher geringe Zahlungsbereitschaft – es kann aber auch nicht die Aufgabe von Medien im Jahr 2013 sein, austauschbare Inhalte zu bieten. Dass das noch nicht jeder verstanden hat, ist Teil des Problems. 

(Lippenbekenntnisse dazu gibt es natürlich stets, noch der schlechteste Medienmanager kann dank BWL-Grundkursen nachts um Drei den Lehrbuch-Absatz zu USPs zitieren.)

Es gibt aber sehr wohl Artikel, Inhalte, für die Menschen zahlen. Auch in digitaler Form, wie die Zahlen diverser Paywall-Versuche oder auch Apps und E-Papers zeigen. Für eigene Artikel, eigene Einordnung, Informationen und Einschätzungen, denen sie ein gewisses Maß an Vertrauen entgegenbringen oder die sie schlicht nur gern lesen, weil ihnen der Stil gefällt, zahlen Menschen durchaus. Kurz, für Inhalte, die ihnen etwas wert sind. Weitere Inhalte darum herum und deren Auswahl in der Informationsflut sind ein Service, der Menschen auch Geld wert sein kann. Aber sie stellen nicht das stärkste Verkaufsargument dar.
 
Blicken wir auf die TV-Landschaft, um dieses Bild deutlicher zu zeichnen: Natürlich kann ich Free-TV schauen und tue das für einige Sachen auch. Daneben kaufe ich mir Serien aber – auf DVD oder als Download. Weil es für mich bequemer ist und weil es die Art von Inhalt darstellt, die mir etwas wert ist. Während RTL mit der letzten Dschungelcamp-Ausstrahlung im Reichweiten-TV Traumquoten erzielte, habe ich Homeland via iTunes gesehen. Der reichweitenschwächere Inhalt war der mir weitaus liebere - und einer, für den ich gern gezahlt habe. Ich würde auch für digitale Medieninhalte zahlen, wenn man mir ein vernünftiges Angebot unterbreitet. 

Ich zahle beispielsweise für eine Reihe von Print-Abos. Bislang zahle ich noch nicht für ein Online-Abo. Was daran liegt, dass mir noch niemand einen vernünftigen Grund dafür geliefert hat. Es liegt nicht an einer generellen Kostenlos-Mentalität digitalen Medien gegenüber. Sondern daran, dass mir niemand ein vernünftiges Paket hinstellt. Ein späterer Post wird sich in diesem Kontext auch Multimedia-Bundles widmen, die ich für eine durchaus schlüssige Idee halte.  


Erklären, wofür und warum man zahlt

Im Sinne des Homo oeconomicus gilt natürlich, dass Menschen, so man sie fragt, ob sie zahlen wollen oder lieber nicht, sich eher für die Variante "nicht" entscheiden. Insbesondere dann, wenn ihnen eigentlich nicht klar ist, warum sie zahlen sollten. Sprich: Was sie davon haben. 

Und hier – wie auch bei einigen anderen Punkten – zeigt sich wieder die seltsame Tendenz, dass Medien, wenn es um sie selbst geht, an der erfolgreichen Kommunikation mit ihren Nutzern scheitern. Auch hierzu hat der Pew Report State of the News Media wieder eine Zahl parat: An 60 Prozent der Befragten in den USA ging reichlich vorbei, dass ihre Medien mit ihrer wirtschaftlichen Situation ringen. Ich bin nicht sicher, ob das bei einer Befragung in Deutschland so viel anders aussähe. Denn es ist ja bemerkenswerterweise so, dass wir hierzulande gleichzeitig gern generell jammern, aber nicht eigene Probleme zugeben. Mit Blick auf Zeitungsschließungen wie bei der FTD oder Sparrunden wie bei Funke, vormals WAZ: Welche Resonanz hatte das denn außerhalb der Medienressorts? Und wie viele Printtexte gab es dazu, die sich kritisch mit der Branchensituation auseinandergesetzt haben statt lapidar auf Missmanagement bei den konkreten Titeln zu verweisen? "Könnte uns ja nie passieren, wir sind doch renommierte Titel."

Wenn ich von Nutzern aber Geld sehen will, dann wäre es hilfreich, nicht nur auf Qualität herumzureiten, sondern auch klipp und klar zu sagen: Um dir das weiterhin zu bieten, brauche ich das Geld. Es geht nicht darum, sich die Taschen zu stopfen und große Gewinne abzuschöpfen. Es geht um Tragfähigkeit.

Und es geht darum, dass Medien, deren Job die Vermittlung von Information ist, lernen müssen, hier zu kommunizieren.

Auch auf die alte Klage der inhaltlichen Verflachung kann Paid Content eine gute Antwort sein: Wenn Artikel, die keine große Breitenwirkung entfalten, aber dafür von einer kleinen, dennoch signifikanten Nutzergruppe monetär wertgeschätzt werden, zum Gesamtergebnis beitragen, dann gibt es ein klares Argument dafür, sie anzubieten. Zusätzlich zum eigenen Anspruch und den Marken- sowie Imageaspekten. Gleichzeitig haben Nutzer eine Möglichkeit, die Art von Inhalten, die sie fordern, auch selbst zu unterstützen.

Dafür muss man ihnen nur eine nachvollziehbare Argumentation und bequeme Wege bieten.

Ein kleines Beispiel: Für dpa-Meldungen, die ich im Dutzend finde, würde ich wohl kaum zahlen. (Das spricht nicht gegen die Qualität von dpa-Texten, es ist schlicht eine ökonomische Entscheidung, weil exakt dieser Artikel dank seiner Übernahme durch zahlreiche Medien aber sowas von 1 zu 1 substituierbar ist.) Für – nur um ein Beispiel zu nennen – einen Heribert-Prantl-Kommentar, in dem er ein Thema mal wieder genau auf die Zwölf trifft? Klar. Ich würde sogar trotz Print-Exemplar einen überschaubaren Betrag zahlen, um eine Online-Fassung via Facebook und Twitter teilen zu können, wenn ich den Text wirklich großartig finde. Das ist auch ein immer wiederkehrendes Phänomen in meinen Timelines: Menschen, die Print-Artikel empfehlen und enttäuscht bis sauer sind, dass sie diese nicht simpel online teilen können.

Das zeigt, gerade bei Mainstream-Medien, auch einen ganz wesentlichen Punkt: Das Teilen von Artikeln via Social Media sollte machbar sein. Denn es ist Fakt, dass es zumindest für einen Teil der Zielgruppe so ist, dass Artikel sie finden, nicht andersherum. Sprich: Ihnen interessante Inhalte in ihren Streams, Readern und Aggregatoren begegnen, nicht dadurch, dass sie Medien-Startseiten absurfen. Über diesen Weg sollten sie also zu Inhalten gelangen können.  

Entweder direkt und kostenfrei oder zu einem Artikelanriss, von dem aus der Volltext durch einen Zahlungs- oder Einlogg-Vorgang, der SO SIMPEL WIE IRGEND MÖGLICH gestaltet ist, zugänglich ist. An dieser Stelle will niemand lange Registrierungsformulare ausfüllen. Ich will an abgreifbaren persönlichen Daten höchstens eine Email-Adresse eingeben müssen und eine Zahloption haben, die so nah wie möglich an 1-Click liegt. Das ist die Krux, weil nicht ganz simpel. Und vom Vertrieb eher ungern gesehen. Aber vertriebsseitige Angebote und Datensammelei sollten in der Folge passieren, nicht bevor der potenzielle Neukunde überhaupt weiß, was ihm die Sache wert ist. Das berührt schon den Punkt der verschiedenen Varianten von Bezahlsystemen.


une in verschiedener Maschenstärke

Das momentan beliebteste Modell, wenn es um Paid Content geht, ist das Metered Model. Also eine Website, bei der eine bestimmte Zahl von Artikeln frei zugänglich ist. Nach dem Überschreiten dieser Zahl wird dann eine Gebühr fällig, um weitere Texte lesen zu können. Gerne damit kombiniert, dass Artikel via Verlinkung über Google oder Social Media nach wie vor zugänglich sind, was reichweitentechnisch und auch inhaltlich einen Vorteil darstellt. 

Der Charme des Metered Model liegt darin, dass es beide Welten zu vereinen sucht: Die Gebührenerhebung bei Viellesern auf der einen Seite, um direkt an Nutzern zu verdienen, und die Zugänglichkeit für Gelegenheitsleser, um weiter Reichweite vermarkten zu können. Plus den pädagogischen Ansatz, Menschen Stück für Stück ans Zahlen zu gewöhnen. 

Die Löchrigkeit in Paywalls wie derjenigen der New York Times war ja nicht in technischer Unfähigkeit begründet. Die Löcher und deren stückweises Schließen gehören zum Lern- und Erziehungsprozess.

Gerade diese Zweigleisigkeit löst auch immer wieder Kritik aus: Warum man ausgerechnet die treuen Leser abkassiere, die anderen aber nicht, und wie unfair das sei. Ein blödsinniges Argument. Es geht nicht darum, die treuen Leser schlechter zu stellen. Es geht darum, dass sie das Produkt, die Marke, das Angebot (wie immer man es nennen will) wertschätzen – das zeigt ihr Verhalten – und ihnen daher leichter zu vermitteln ist, dass sie etwas zahlen sollten, damit dieses weiter besteht. Wer im Monat keine zehn Artikel einer bestimmten Marke liest, der würde für die zehn vermutlich auch nicht mal eben zahlen.

Gleichzeitig sorgt das Metered Model dafür, dass sich am Grundgedanken eines Inhalte-Bundles, für das en bloc gezahlt wird, nichts ändert. Denn nach den frei zugänglichen Artikeln geht es eigentlich immer um eine fixe Abo-Gebühr, nicht um kostenpflichtige Einzelabrufe. 

Das hat Vor- und Nachteile. Dass sich am Grundgedanken nichts ändern muss, lässt sich dabei auf beiden Seiten vermerken.

Ansonsten: Abo-Modelle sind gelernt und für Medienhäuser (in geringerem Ausmaß auch für Nutzer) bequem. Abo-Einnahmen sind in gewisser Weise planbar, es sind Erlöse, die dank Nutzerträgheit auch dann fließen, wenn er eigentlich nichts oder nur wenig liest. Und der Nutzer muss sich nicht ständig mit Zahlvorgängen rumschlagen. Gleichzeitig schafft aber – je nach Pricing – eine Abogebühr eine höhere Einstiegshürde.

Es gibt auch andere Modelle: Neben der gleich von Beginn an geltenden Gebührenpflicht, die die höchste Mauer und Hemmschwelle darstellt, für bestimmte Bereiche oder Inhalte zu zahlen. Hinzu kommt eine Möglichkeit, die kaum jemand ernsthaft austestet: Guthaben für Artikeleinzelabrufe. Also keine Voll-Abos, sondern Volumenabos. 

Man kann grob festhalten, dass die meisten Mainstream-Medien, die sich für Paid Content entscheiden werden, Spielarten des Metered Model austesten dürften.

Für Fach- und Special-Interest-Titel mit kleiner, aber treuer Zielgruppe kommen die komplett geschlossenen Pay-Systeme in Frage. 

Bei Axel Springers Konzept für Bild.de gehen die meisten davon aus, dass es kein Abo-Modell, sondern eines mit Einzelabruf-Option werden wird. 

An Varianten dazwischen wird sich nur ein Teil wagen, weil das komplexere Fragestellungen mit sich bringt. Etwa: Was ist ein Artikel wert? Was kostet so ein Einzelabruf? Und kostet jede Art von Artikel das gleiche? 


Von Wertigkeit und Wahrnehmung

Das ist nicht nur in der reinen Kalkulation eine komplizierte Fragestellung, es spielen auch verschiedene Wahrnehmungsdimensionen in diese Frage mit hinein. Gerade wenn es darum geht, dass Artikeln unterschiedliche Preise und damit ein unterschiedlicher Wert beigemessen wird. 

Wenn es uns darum geht, neben Inhalten, die nur auf Masse zielen, aber auch andere zu bieten, dann wäre es perspektivisch gut, r diese auch zu erheben, was sie monetär wert sind. Inwieweit ich sie wirklich durch die anderen Bereiche quersubventionieren muss und was sie selbst tragen können, sie selbst Lesern wert sind. Das wiederum würde bedeuten, dass sie ein Preisschild benötigen und nicht Teil eines Volumenpakets sein können wie jede dpa-Meldung oder jedes Sportergebnis auch. Es wäre mit Blick auf die Qualitätsdebatte durchaus interessant, den konkreten Wert von Artikeln zu ermitteln. Wenn auch bei weitem nicht problem- und risikofrei. 

Die reine Abo-Variante ist für Medienhäuser reizvoll, weil sie sie kennen. Und weil sie keine weiteren Probleme mit sich bringt. Ich fände aber gestufte Verfahren – also nicht ein Preis, sondern mehrere Bundles mit unterschiedlichem Volumen und auch die Einzelabruf-Option – einen strukturell interessanten Test. Ein Abo-Modell und ein Einzelabruf-Modell schließen sich ja nicht gegenseitig aus.

Es spricht auch nichts dagegen, bestimmte Artikel von vornherein als frei zugänglich oder als kostenpflichtig zu definieren. Im ersten Fall, weil sie entweder einen allgemeinen Service darstellen oder es für die eigene Marke förderlich ist, sie als Leuchtturm frei zugänglich zu machen. Im zweiten Fall, wenn sie explizite Eigenleistung darstellen, bei der man austesten will, wie diese honoriert wird. Dieses Spiel lässt sich ja beliebig ausdifferenzieren. Auch bei iTunes - wenn wir schon so gern das Vorbild Musikmarkt zitieren - gibt es schließlich einen Albumpreis, Einzelpreise und konkrete Lieder nur im Albumpaket.

An und für sich sind auch Premium-Bereiche vorstellbar, die grundsätzlich kostenpflichtig sind. Sinniger als diese dürften aber personalisierbare Abonnenten-Bereiche sein. Soll heißen: Der eingeloggte, zahlende Nutzer kann sich Inhalte anzeigen lassen, die auf ihn und seine Interessen zugeschnitten sind. Nicht ausschließlich, da es sinnvoll ist, jenseits der eigenen Nachfrage auch Angebote zu sehen, auf die man vielleicht gar nicht kommt. Aber im Sinne eines besseren Zuschnitts.

Hier nähern wir uns wieder dem überstrapazierten Begriff des Mehrwerts. Er hat hier aber seine Berechtigung. Weil der eingeloggte Nutzer etwas erhält, das ihm hoffentlich das Leben bequemer macht. Das geht weg vom Argument "Du solltest zahlen, weil das hier für mich mit Kosten verbunden ist" hin zu "als zahlender, eingeloggter Nutzer kann ich dir besser bieten, was du haben willst". 

Die meisten werden sich wohl an reinen Metered Models versuchen. Testfälle, die fixe Abos um flexible Bereiche bis hin zu komfortablen Einzelabrufen ergänzen, könnten aber interessante Erkenntnisse bringen.

Sicher wäre es keine einfache Aufgabe, hier brauchbare Pricing-Modelle zu entwickeln. Aber niemand verhindert Experimente und das Nachjustieren dieser. Ich glaube nicht, dass Menschen im Netz nicht bereit sind, für Medieninhalte zu zahlen. Man muss nur die richtigen Modelle finden. Und die richtigen Inhalte.

Letztendlich dürftne ein Abo oder ähnliche Bundles für die meisten Nutzer der richtige Weg sein. Aber auf diesen Weg sollte man sie führen. Und mit Modellen, die Artikeln Preisschilder verpassen, ohne dass es zu einem herkulischen Akt wird, für sie auch zu zahlen, gäbe es eine weitere Dimension, über ihren Wert nachzudenken. Und festzustellen, welche Art von Inhalt Lesern Geld wert ist. Das hat ganz viel damit zu tun, welche Art von Inhalt es wert ist, Mühe auf sein Angebot zu verwenden.

Wenn Redaktionen durch den Reichweitengalopp überdehnt sind und gleichzeitig Nutzer fehlende Tiefe oder fehlende Inhalte beklagen, dann kann genau das die Lösung sein: Geld für Dinge verlangen und ausgeben, die es wert sind. Das Bündel darum herum muss nicht wegfallen. Aber es darf nicht wichtiger werden als die eigene Stimme eines Mediums.




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