Miriam Meckel, ihres Zeichens geschätzte Kommunikationsmanagement-Professorin, misstraut Google, Facebook & Co. Das stellt keine neue Erkenntnis dar. Bis zu diesem SZ-Artikel wußte ich aber nicht, dass sie auch automatischen Glastüren misstraut.
Denn das ist ihr Eingangs- wie Schlussbild in dem Text, der online "Wo im Internet die Freiheit endet" heißt und in Print "Links. Rechts. Halt. Zurück."
Die tut nichts, die geht nur auf. // Bildquelle: Mannie104, Used under CC-BY-SA. |
Anschleichen will sie sich an Glastüren, ohne dass sie sich öffnen. Die Automatik überlisten. Wie eine Buchfigur von Roberto Bolano. Um zu beweisen, dass offene Türen nicht gottgegeben sind und um die Hand auf das trennende Glas zu legen. Den Sieg über die magische Technologie erringen.
Die Tür, die sich ohne unser direktes Zutun öffnet und schließt, ist ihr Bild für ihre Kritik an Google, Facebook und Apple, die uns Nutzern durch ihr Verhalten Freiheit nehmen würden. Denn im Netz gäbe es ja im Urzustand alles für jeden, immer und überall, vor allem viel Grenzenlosigkeit. Das ist ein Mythos und Unfug, aber dazu komme ich später.
In ihren Worten:
"Tatsächlich sind auch an der Google-Pforte eine Menge Sensoren angebracht, die im Moment des Übertritts unsere Profile prüfen, sie anhand des erneuten Eintritts erweitern und anpassen, die uns im Netz verfolgen, um uns schließlich die Informationen zu liefern, die zu uns passen. Wir werden also für uns selbst unsichtbar, ungefragt und ohne unser Entscheiden zu einem Informationsreservoir geführt, das die Google-Algorithmen für uns ausgewählt haben."
Nun lässt sich das Bild der automatischen Tür durchaus verwenden für das, was sie beschreibt. Es stellt sich aber aus meinem Blickwinkel völlig anders dar: Die automatische Tür öffnet sich, ja, und das ist nicht gottgegeben. Aber auch kein magischer Prozess, dem wir hilflos ausgeliefert sind. Sondern ein von uns ausgelöster. Die Tür öffnet sich aufgrund eines Mechanismus, der uns das Leben bequemer macht - oder anders gesagt, unsere Bequemlichkeit bedient. Die Tür öffnet sich als Reaktion auf uns.
Genau das gilt auch für Googles Algorithmen, die Suchergebnisse aufgrund unserer Profildaten anpassen. Es ist ein durch unser Verhalten ausgelöster Prozess. Dass die Suchergebnisse, die wir sehen, sich von denen anderer User unterscheiden, liegt an unserem vorherigen Verhalten (und dem der Gruppe, der uns Google zuschlägt). Das Reservoir ist mit Wasser aus den Quellen gefüllt, die wir besucht haben.
Das Problem dabei ist: Dass Menschen sich ihre Informationen selektieren und eher das wahrnehmen, dass zu ihren Haltungen, Meinungen und Interessen passt, ist kein Internet-Phänomen. Menschen suchen sich auch ihre klassischen Medien danach aus, ob diese ihre Einstellungen teilen, mehr noch, sie interpretieren sogar eigentlich neutrale Stücke dann ihrer eigenen Haltung entsprechend. Das tun sie online auch, so sieht dann auch ihre Surf-Historie aus. Soll heißen: Wir tun uns das selbst an, der Google-Algorithmus stellt nur eines von mehreren Mitteln dazu dar.
Meckels ständige Beschäftigung mit dem Thema Filter Bubble führt aber offenbar dazu, dass sie in dieser auf besondere Art gefangen ist: Sie sieht sie überall wirken.
Denn wie Christian Jakubetz in seiner Replik auf Meckel feststellt:
Wir brauchen gar keine Algorithmen für die Filter Bubble
Frau Meckel sieht hier Beschneidung der Freiheit am Werk, pocht auf Möglichkeiten, alles zu sehen, vor allem, weil wir ja nicht wüssten, wonach Google uns filtert. Mal davon abgesehen, dass wir in letzteres durchaus Einblick nehmen können über Googles Dashboard: Dieser Kritik zugrunde liegt Meckels Warnung vor der Filter Bubble, also dem Phänomen, dass uns überhaupt nur bestimmte Informationen zugehen und vieles außen vor bleibt. Die Filter Bubble nach Eli Pariser, der damit die Einschränkung der zugehenden Information durch entsprechend auf das Nutzerverhalten zugeschnittene Algorithmen meint.Das Problem dabei ist: Dass Menschen sich ihre Informationen selektieren und eher das wahrnehmen, dass zu ihren Haltungen, Meinungen und Interessen passt, ist kein Internet-Phänomen. Menschen suchen sich auch ihre klassischen Medien danach aus, ob diese ihre Einstellungen teilen, mehr noch, sie interpretieren sogar eigentlich neutrale Stücke dann ihrer eigenen Haltung entsprechend. Das tun sie online auch, so sieht dann auch ihre Surf-Historie aus. Soll heißen: Wir tun uns das selbst an, der Google-Algorithmus stellt nur eines von mehreren Mitteln dazu dar.
Meckels ständige Beschäftigung mit dem Thema Filter Bubble führt aber offenbar dazu, dass sie in dieser auf besondere Art gefangen ist: Sie sieht sie überall wirken.
Denn wie Christian Jakubetz in seiner Replik auf Meckel feststellt:
"Tatsächlich neigt der digital lebende Mensch dazu, sich die gewonnenen Freiheiten, von denen es im Netz mehr als genug gäbe, selbst wieder zu nehmen. Tatsächlich hat Google einen Marktanteil von über 90 Prozent bei den Suchanfragen in Deutschland, tatsächlich hängt Apple bei den legalen Musikdownloads immer noch jedes andere Unternehmen ab. Trotzdem ließe sich nahezu jedes Buch in Deutschland ohne einen Qualitäts- oder Zeitverlust eben nicht nur bei Amazon, sondern bei etlichen anderen Shops bestellen."
Wir nehmen uns die Freiheiten selbst, ist sein Schluss. Ich stimme zu, wir nehmen sie uns aus Bequemlichkeit (oder lassen sie uns aus Bequemlichkeit nehmen, wem der böse aktive Widerpart lieber ist). Das Problem stellen nicht Google, Apple und Facebook dar. Sondern unsere Faulheit.
Unsere Faulheit ist schuld, nicht Google & Co.
Meckel beklagt im Artikel etwa auch, dass sie ja bei Apples iTunes nicht problemfrei mal mit deutschem, mal mit US-Guthaben, mal im deutschen, mal im US-Store einkaufen kann. Jakubetz hat völlig recht, wenn er trocken darauf verweist, dass kein Mensch Meckel zwingt, bei iTunes zu kaufen. Und dass das Problem in diesem Beispiel nicht Apple, sondern Rechte und Lizenzen darstellen.Es ist in der Tat ein Beispiel, das man eigentlich schon bewusst polemisch nennen muss. Ist es insgesamt kritisch zu sehen, dass Apple (wie viele andere Unternehmen auch) Nutzer wie Vieh hinter seinem proprietären Zaun halten will? Ja, aber wenn man das kritisiert, dann doch bitte mit einem Beispiel, an dem Cupertino schuld ist. Und auch hier gilt: Unsere Bequemlichkeit ist es, die uns zu Rindviechern macht. Natürlich nutzen die Konzerne sie für ihre Zwecke, aber das kann eigentlich keinen überraschen.
Das gilt auch für Meckels drittes Ziel, Facebook. Sie hat Recht, wenn sie Facebooks Politik des "Wir stellen mal was um und machen es euch eher schwer, das zu ändern" bei Mail-Adressen, Foto-Tags und anderen Dingen kritisiert. Zum Punkt Privacy Regeln stellt sie hier so lapidar wie richtig fest, dass diese fast niemand im Detail lese. Dass sich Nutzer nicht die Mühe machten, sich mit allen Einstellungen und Veränderungen zu beschäftigen.
Das ist aber wieder Bequemlichkeit. Was die drei Konzerne, die sie in ihrem Text kritisiert, verbindet, sind zwei Dinge. Das für Meckel unglückliche ist die Tatsache, dass sie allesamt Microsoft-Konkurrenten sind. Unglücklich vor dem Hintergrund, dass der Softwarekonzern über seine Lobbyorganisation Icomp Studien von Meckel finanziert. Ich will ihr hier nichts unterstellen, die Filter Bubble wäre auch ohne Microsoft ihr Thema. Aber man kann es unglücklich finden.
Das andere: All diese Unternehmen lassen sich aus guten Gründen kritisieren, die findet sie in ihrem Text aber kaum. Verbindendes Element ihrer Kritik ist vielmehr "schaut mal, die bösen Großkonzerne machen mit uns, was sie wollen". Dies stellt nun aber kein Internet-Phänomen dar und weist einen Pferdefuß auf: Sie machen das mit uns, weil wir es zulassen.
Und ihrer Grundanklage, dass uns die Netzunternehmen die Freiheit nehmen würden, liegt eine alte Chimäre zugrunde: Die, dass das Netz frei wäre. Das ist Unfug. Es gibt gewisse Freiheitsräume, die das Netz gewährt oder begünstigt, es ist aber nicht im Geringsten von einem Absolutum an Freiheit geprägt. Es stellt keine magische Oase dar, das ist nur sein Gründungsmythos. Das Netz ist nicht freier als mein Telefonanschluss.
Das andere: All diese Unternehmen lassen sich aus guten Gründen kritisieren, die findet sie in ihrem Text aber kaum. Verbindendes Element ihrer Kritik ist vielmehr "schaut mal, die bösen Großkonzerne machen mit uns, was sie wollen". Dies stellt nun aber kein Internet-Phänomen dar und weist einen Pferdefuß auf: Sie machen das mit uns, weil wir es zulassen.
Und ihrer Grundanklage, dass uns die Netzunternehmen die Freiheit nehmen würden, liegt eine alte Chimäre zugrunde: Die, dass das Netz frei wäre. Das ist Unfug. Es gibt gewisse Freiheitsräume, die das Netz gewährt oder begünstigt, es ist aber nicht im Geringsten von einem Absolutum an Freiheit geprägt. Es stellt keine magische Oase dar, das ist nur sein Gründungsmythos. Das Netz ist nicht freier als mein Telefonanschluss.
Der Preis der Freiheit
Sich von dieser Chimäre zu trennen, statt dem Mythos die Realität zu sehen, ist der Preis der Freiheit, soweit sie möglich ist.
Für das, was wir an Freiheiten haben können, müssen wir noch mit zwei weiteren Dingen zahlen: Zum einen mit unserer Bequemlichkeit. Der Bequemlichkeit, nicht wissen zu wollen, was da eigentlich passiert. Und stattdessen aufgeklärt und bewusst mit dem Netz und Diensten dort umgehen. Das kann aufwändig, anstrengend, unbequem sein. Aber es würde aufgeklärtes, bewusstes Verhalten darstellen.
Mir geht es nicht um das in meinen Augen fragwürdige Argument, dass uns ja niemand zwinge, Google oder Facebook zu verwenden. Fragwürdig deshalb, weil das immer nach der "Du kommst aus dem Gefängnis frei"-Karte für die betroffenen Unternehmen klingt, ein Totschlagargument darstellt. Mir geht es eher um einen bewussten Umgang. Der kann, muss aber nicht aus der Verwendung von Alternativen bestehen.
Mir geht es nicht um das in meinen Augen fragwürdige Argument, dass uns ja niemand zwinge, Google oder Facebook zu verwenden. Fragwürdig deshalb, weil das immer nach der "Du kommst aus dem Gefängnis frei"-Karte für die betroffenen Unternehmen klingt, ein Totschlagargument darstellt. Mir geht es eher um einen bewussten Umgang. Der kann, muss aber nicht aus der Verwendung von Alternativen bestehen.
Und zum anderen kommen wir auch zur Antwort auf die Filter Bubble: Natürlich ist die Filter Bubble kein unproblematisches Phänomen. Höchstwahrscheinlich verstärken Online-Dienste und Algorithmen diesen Prozess selektiver Wahrnehmung, vereinfachen ihn zumindest. Aber ihr Auftreten ist nicht allein die Schuld böser Online-Unternehmen. Freiheit von Information bedeutet auch, Dissens zu ertragen. Sich Dissens bewusst auszusetzen. Wir kriechen selbst in unsere Filter Bubble, wenn wir uns dort bequem einrichten. Um uns die Freiheit, die Meckel fordert, zu verdienen, müssen wir sie aus eigener Kraft verlassen und anderen, verbunden mit dem schlimmen Wort der Medienerziehung, aus ihr heraus helfen.
Wenn ein Button für uns die Blase platzen lassen soll, spricht da wieder nur unsere Faulheit aus uns.
Gerade zur Filter Bubble muss ich sagen, dass es doch am menschen selbst liegt, ob er sich auf die begrenzte Information einlässt, sie nicht hinterfragt und auch nicht weiter recherchiert. Wenn ich mehr wissen will, suche ich nach mehr Informationen oder eben spezifischer. Ich finde den Artikel großartig, Herr Pfister. Mehr davon!
AntwortenLöschenRita von den Glastüren
:)