Die amerikanische Weltraumbehörde NASA konnte letzte Woche
gleich zwei Erfolge feiern. Der eine war die erfolgreiche Landung des
Mars-Rovers Curiosity. Der andere war die Resonanz, die die NASA im Netz durch
ihre Kommunikation hervorgerufen hat. So viel Interesse, Goodwill, auch
Begeisterung wurde der Weltraumbehörde schon lang nicht mehr entgegen gebracht.
Bild: NASA/ Bill Ingalls |
Der Enthusiasmus, den die Mondlandung einst verursachte, hat
über die Jahre und Jahrzehnte, insbesondere durch Katastrophen wie das
Challenger- und das Columbia-Unglück, deutlich abgenommen. Die letzten großen
Schlagzeilen machten die endgültig letzten Flüge der Space Shuttles Discovery
und Enterprise – huckepack auf Flugzeugen zu ihren Ruheorten in Museen. In
Teilen noch der Tod von Astronautin Sally Ride, der ersten Amerikanerin im
Weltraum.
Die NASA schien im Auge der Öffentlichkeit aus der Zeit
gefallen, unterwegs mit veraltetem Gerät. Eine alte, zu teure Behörde, deren
Budgets zusammengestrichen werden und deren Astronauten per Anhalter in den
Orbit fliegen müssen.
Und jetzt? Verfolgten Menschen rund um den Globus live per
Videostream aus dem Kontrollraum des Jet Propulsion Laboratory, wie das Team
die Landung von Curiosity erlebte. Schickten auf Twitter und Facebook
Status-Updates zum Landeprozess. Feierten mit den Blauhemden, als klar war,
dass die 7 Minuten Terror der Landung heil überstanden waren.
Was kostet schon der Mars gegen die Welt?
Natürlich wurde über die 2,5 Milliarden Dollar geredet, die Curiositys Mars-Mission gekostet hat, auch mit Entrüstung. Die richtete sich dann allerdings im Netz dagegen, wie lächerlich wenig das im Vergleich zu den Olympischen Spielen sei. Die schlagen mit 15 Milliarden zu Buche.
Die Tonalität dabei: Für die Sause in London schmeißen wir 15 Milliarden raus, da
müssen wir doch noch ein paar Mille finden, die wir der NASA geben können.
Schon auf Barack Obamas Gratulations-Tweet an das NASA-Team
gab es Antworten, dass er ihnen doch bitte mit den Glückwünschen auch einige
Dollars schicken solle. #fundNASA machte als Hashtag auf Twitter die Runde,
User brachten eine Crowdsourcing-Finanzierung via Kickstarter ins Gespräch. In den Worten von Sean Bonner:
US Citizens paid less than $10 each in taxes to make this happen. If this was a Kickstarter project I'd chip in a hundie.#fundnasa
Da reden Steuerzahler davon, dass es sie bloß ein paar
Dollar gekostet habe und sie auch mehr zahlen würden.
Der Erste Kontakt im Netz ist geglückt
Die NASA gilt auf einmal als hip, sympathisch, technisch
spitze und verdient unbedingt mehr Unterstützung. Ein sauberer Image-Gewinn –
und den hat die Behörde vor allem durch ihre Kommunikation im Netz erreicht. Die
offen, direkt und sympathisch wirkte.
Auf dem Mars wird Curiosity kein Leben finden. Aber der
erste Kontakt im Netz, im Social Web, der ist erfolgreich hergestellt. Dabei
geht es um mehr als flüchtige Image-Wirkung. Denn Begeisterung verpufft auch
wieder. Aber die NASA hat einen Weg gefunden, Twitter & Co. einzusetzen, um
eine direkte Verbindung zu den interessierten Teilen der Öffentlichkeit
herzustellen und bei anderen Interesse zu wecken.
Auch wenn die Landung von Curiosity im Social-Buzz-Wettlauf
gegen Usain Bolts 100m-Lauf verloren hat, brachte es das Mars-Manöver auf 1,1
Millionen Erwähnungen am Landetag. Und die waren zu über 60 Prozent positiv.
Dem Twitter-Account des Marsrovers folgen inzwischen fast eine Million Accounts
(ich schreibe bewusst nicht Menschen, das wäre bei Twitterfollowerzahlen
gewagt).
Und die haben Spaß an den Tweets des Rovers. Denn das den Account betreuende Trio aus Courtney O'Connor, Stephanie Smith und Veronica
McGregor hat dem Rover eine gewitzte, pop- wie internetkulturell verankerte und
dabei pflichtbewusste Persona verpasst.
Sie (ja, der Rover ist weiblich) unterhält ihr Publikum,
unterhält sich mit ihrem Publikum, hält auf dem Laufenden, was sie so macht und
was ihr Team auf der Erde anstellt und verweist auf andere NASA-Projekte. Denn
auch andere Missionen und Roboter funken auf Twitter, genau wie die NASA
selbst.
Neben dem anthropomorphisierten
Marsgefährt ist das zweite Gesicht des NASA-Erfolgs Bobak Ferdowsi. Der Flight
Director ist im Netz besser bekannt als Mohawk Man. Bilder des Iro-Trägers
wurden zu ihrem eigenen kleinen Mem und in Sachen geäußerte Frisurwertschätzung
zieht er gerade mit zugeschaltetem Raketentriebwerk an Sascha Lobo vorbei.
Nochmal zum Mitschreiben: Ein NASA-Flight-Director hat sein
eigenes, hoch positiv aufgeladenes Internet-Mem.
Natürlich kam diese Aufmerksamkeit für Curiosity nicht von
ungefähr. Schon im Vorfeld war die NASA aktiv: In Clips und Grafiken wurde
Curiositys Mission und ihr waghalsiges Landemanöver greifbar. Weitere Videos
zur Landung kommentierten William Shatner und Wil Wheaton – also gleich zwei
Generationen von Star-Trek-Schauspielern.
Und während der Landung streamte die NASA, informierte,
gewährte Einblick – in einen Prozess, der genauso gut hätte schief gehen
können. Überhaupt ist die Weltraumbehörde sehr aktiv im Netz: Mit
Videos, Blogs, Profilen auf Facebook & Co, einem eigenen Social-Programm.
Denn das alles startete nicht erst mit Curiosity. Aber ihre
Landung wirbelte genug Staub auf, um den Blick einer größeren Öffentlichkeit
auf diese Aktivitäten zu lenken. Das gibt der NASA die Möglichkeit, zu zeigen,
was sie alles an Kommunikationskanälen und Informationen zu bieten hat.
Social Media trifft Rocket Science
Und das verpasst der NASA nicht nur einen Image-Boost, den
sie mitten in Diskussionen um ihre Zukunft und um ihr Budget durchaus
gebrauchen kann. Es stellt auch die Verbindung zu einer interessierten
Öffentlichkeit her – und zwar direkt. Social Media ist nicht
Raketenwissenschaft, und das führt die NASA gut vor. Gleichzeitig kann das Web
aber ein guter Kanal sein, um den Menschen Rocket Science und Verwandtes nahe
zu bringen. Curiosity beispielsweise twittert vom Mars, auf welchen Sites die
NASA-Kollegen über den Perseiden-Strom berichten, wo sich die Sternschnuppen am
besten sehen lassen und was das eigentlich ist.
Das Potenzial, dass sich die NASA so erschließt, ist von
webkulturellen Witzen und netten Sprüchen zu Edutainment und Information zu
kommen. "Hey, wenn du schon da bist, das passiert auch gerade und das können wir
dir dazu erzählen." "Das ist es, was wir tun, und das hast du davon in deinem
Leben und deinem Alltag."
Was die NASA hier betrieben hat, war emotional aufgeladenes
Storytelling über ein eigentlich hochkomplexes, technisches Thema. Mitfiebern
mit Metall und Elektronik.
(Kleiner Hinweis an die Kollegen in der schreibenden Zunft,
die hier was vom tapferen kleinen Rover gefaselt haben: Curiosity ist drei
Meter lang und 900 Kilo schwer, auch wenn man über das Gewicht von Damen
eigentlich nicht spricht.)
Eine Aufladung, die dabei hilft, von kurzem Kontakt
hinzuleiten zu tieferen Betrachtungen: Was macht der Rover da eigentlich? Was
tut die NASA eigentlich?
Insofern stellt das ein Lehrstück für Online-Kommunikation dar. Aktivieren durch "einfache" Inhalte, selbst zu komplexesten Themen.
Natürlich aktiviert das nicht die breite Öffentlichkeit,
natürlich können Image-Effekte verpuffen. Aber es ist ein simpler, effektiver Weg, mit
interessierten Teilen im Netz direkten Kontakt aufzunehmen. Eine Zielgruppe, die sich so effektiv und effizient erreichen lässt.
Und das mit einem Ressourcenaufwand, der für
NASA-Verhältnisse enorm überschaubar ausfällt. Auch wenn man die 2,5 Milliarden
für den Marsflug vermutlich irgendwie einfaktorieren müsste.
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