Dienstag, 14. August 2012

Social Media trifft Rocket Science - Die NASA, Curiosity und die Punktlandung im Netz

Die amerikanische Weltraumbehörde NASA konnte letzte Woche gleich zwei Erfolge feiern. Der eine war die erfolgreiche Landung des Mars-Rovers Curiosity. Der andere war die Resonanz, die die NASA im Netz durch ihre Kommunikation hervorgerufen hat. So viel Interesse, Goodwill, auch Begeisterung wurde der Weltraumbehörde schon lang nicht mehr entgegen gebracht.

Bild: NASA/ Bill Ingalls

Der Enthusiasmus, den die Mondlandung einst verursachte, hat über die Jahre und Jahrzehnte, insbesondere durch Katastrophen wie das Challenger- und das Columbia-Unglück, deutlich abgenommen. Die letzten großen Schlagzeilen machten die endgültig letzten Flüge der Space Shuttles Discovery und Enterprise – huckepack auf Flugzeugen zu ihren Ruheorten in Museen. In Teilen noch der Tod von Astronautin Sally Ride, der ersten Amerikanerin im Weltraum.

Die NASA schien im Auge der Öffentlichkeit aus der Zeit gefallen, unterwegs mit veraltetem Gerät. Eine alte, zu teure Behörde, deren Budgets zusammengestrichen werden und deren Astronauten per Anhalter in den Orbit fliegen müssen.

Und jetzt? Verfolgten Menschen rund um den Globus live per Videostream aus dem Kontrollraum des Jet Propulsion Laboratory, wie das Team die Landung von Curiosity erlebte. Schickten auf Twitter und Facebook Status-Updates zum Landeprozess. Feierten mit den Blauhemden, als klar war, dass die 7 Minuten Terror der Landung heil überstanden waren.

Was kostet schon der Mars gegen die Welt?

Natürlich wurde über die 2,5 Milliarden Dollar geredet, die Curiositys Mars-Mission gekostet hat, auch mit Entrüstung. Die richtete sich dann allerdings im Netz dagegen, wie lächerlich wenig das im Vergleich zu den Olympischen Spielen sei. Die schlagen mit 15 Milliarden zu Buche.

Die Tonalität dabei: Für die Sause  in London schmeißen wir 15 Milliarden raus, da müssen wir doch noch ein paar Mille finden, die wir der NASA geben können.

Schon auf Barack Obamas Gratulations-Tweet an das NASA-Team gab es Antworten, dass er ihnen doch bitte mit den Glückwünschen auch einige Dollars schicken solle. #fundNASA machte als Hashtag auf Twitter die Runde, User brachten eine Crowdsourcing-Finanzierung via Kickstarter ins Gespräch. In den Worten von Sean Bonner:
US Citizens paid less than $10 each in taxes to make this happen. If this was a Kickstarter project I'd chip in a hundie. #fundnasa

Da reden Steuerzahler davon, dass es sie bloß ein paar Dollar gekostet habe und sie auch mehr zahlen würden.

Der Erste Kontakt im Netz ist geglückt

Die NASA gilt auf einmal als hip, sympathisch, technisch spitze und verdient unbedingt mehr Unterstützung. Ein sauberer Image-Gewinn – und den hat die Behörde vor allem durch ihre Kommunikation im Netz erreicht. Die offen, direkt und sympathisch wirkte. 

Auf dem Mars wird Curiosity kein Leben finden. Aber der erste Kontakt im Netz, im Social Web, der ist erfolgreich hergestellt. Dabei geht es um mehr als flüchtige Image-Wirkung. Denn Begeisterung verpufft auch wieder. Aber die NASA hat einen Weg gefunden, Twitter & Co. einzusetzen, um eine direkte Verbindung zu den interessierten Teilen der Öffentlichkeit herzustellen und bei anderen Interesse zu wecken.

Auch wenn die Landung von Curiosity im Social-Buzz-Wettlauf gegen Usain Bolts 100m-Lauf verloren hat, brachte es das Mars-Manöver auf 1,1 Millionen Erwähnungen am Landetag. Und die waren zu über 60 Prozent positiv. Dem Twitter-Account des Marsrovers folgen inzwischen fast eine Million Accounts (ich schreibe bewusst nicht Menschen, das wäre bei Twitterfollowerzahlen gewagt).

Und die haben Spaß an den Tweets des Rovers. Denn das den Account betreuende Trio aus Courtney O'Connor, Stephanie Smith und Veronica McGregor hat dem Rover eine gewitzte, pop- wie internetkulturell verankerte und dabei pflichtbewusste Persona verpasst.

Sie (ja, der Rover ist weiblich) unterhält ihr Publikum, unterhält sich mit ihrem Publikum, hält auf dem Laufenden, was sie so macht und was ihr Team auf der Erde anstellt und verweist auf andere NASA-Projekte. Denn auch andere Missionen und Roboter funken auf Twitter, genau wie die NASA selbst.

Neben dem anthropomorphisierten Marsgefährt ist das zweite Gesicht des NASA-Erfolgs Bobak Ferdowsi. Der Flight Director ist im Netz besser bekannt als Mohawk Man. Bilder des Iro-Trägers wurden zu ihrem eigenen kleinen Mem und in Sachen geäußerte Frisurwertschätzung zieht er gerade mit zugeschaltetem Raketentriebwerk an Sascha Lobo vorbei.




Nochmal zum Mitschreiben: Ein NASA-Flight-Director hat sein eigenes, hoch positiv aufgeladenes Internet-Mem.

Natürlich kam diese Aufmerksamkeit für Curiosity nicht von ungefähr. Schon im Vorfeld war die NASA aktiv: In Clips und Grafiken wurde Curiositys Mission und ihr waghalsiges Landemanöver greifbar. Weitere Videos zur Landung kommentierten William Shatner und Wil Wheaton – also gleich zwei Generationen von Star-Trek-Schauspielern.

Und während der Landung streamte die NASA, informierte, gewährte Einblick – in einen Prozess, der genauso gut hätte schief gehen können. Überhaupt ist die Weltraumbehörde sehr aktiv im Netz: Mit Videos, Blogs, Profilen auf Facebook & Co, einem eigenen Social-Programm.

Denn das alles startete nicht erst mit Curiosity. Aber ihre Landung wirbelte genug Staub auf, um den Blick einer größeren Öffentlichkeit auf diese Aktivitäten zu lenken. Das gibt der NASA die Möglichkeit, zu zeigen, was sie alles an Kommunikationskanälen und Informationen zu bieten hat.
 

Social Media trifft Rocket Science

Und das verpasst der NASA nicht nur einen Image-Boost, den sie mitten in Diskussionen um ihre Zukunft und um ihr Budget durchaus gebrauchen kann. Es stellt auch die Verbindung zu einer interessierten Öffentlichkeit her – und zwar direkt. Social Media ist nicht Raketenwissenschaft, und das führt die NASA gut vor. Gleichzeitig kann das Web aber ein guter Kanal sein, um den Menschen Rocket Science und Verwandtes nahe zu bringen. Curiosity beispielsweise twittert vom Mars, auf welchen Sites die NASA-Kollegen über den Perseiden-Strom berichten, wo sich die Sternschnuppen am besten sehen lassen und was das eigentlich ist.

Das Potenzial, dass sich die NASA so erschließt, ist von webkulturellen Witzen und netten Sprüchen zu Edutainment und Information zu kommen. "Hey, wenn du schon da bist, das passiert auch gerade und das können wir dir dazu erzählen." "Das ist es, was wir tun, und das hast du davon in deinem Leben und deinem Alltag."

Was die NASA hier betrieben hat, war emotional aufgeladenes Storytelling über ein eigentlich hochkomplexes, technisches Thema. Mitfiebern mit Metall und Elektronik.

(Kleiner Hinweis an die Kollegen in der schreibenden Zunft, die hier was vom tapferen kleinen Rover gefaselt haben: Curiosity ist drei Meter lang und 900 Kilo schwer, auch wenn man über das Gewicht von Damen eigentlich nicht spricht.)

Eine Aufladung, die dabei hilft, von kurzem Kontakt hinzuleiten zu tieferen Betrachtungen: Was macht der Rover da eigentlich? Was tut die NASA eigentlich?

Insofern stellt das ein Lehrstück für Online-Kommunikation dar. Aktivieren durch "einfache" Inhalte, selbst zu komplexesten Themen.

Natürlich aktiviert das nicht die breite Öffentlichkeit, natürlich können Image-Effekte verpuffen. Aber es ist ein simpler, effektiver Weg, mit interessierten Teilen im Netz direkten Kontakt aufzunehmen. Eine Zielgruppe, die sich so effektiv und effizient erreichen lässt.

Und das mit einem Ressourcenaufwand, der für NASA-Verhältnisse enorm überschaubar ausfällt. Auch wenn man die 2,5 Milliarden für den Marsflug vermutlich irgendwie einfaktorieren müsste.




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