Freitag, 18. Januar 2013

CouchCachet - Der vollautomatisierte Foursquare-Münchhausen für verhinderte Social-Media-Selbstdarsteller

Was für eine Nachricht für verhinderte sozialmediale Selbstdarsteller: Menschen, die vor ihren Freunden gern mit umfangreichen Freizeitaktivitäten angeben würden, aber zu faul sind, tatsächlich was zu tun, können aufatmen. Denn - es gibt eine App dafür.
Mit dem Foursquare-Hack CouchCachet erklimmt die Selbstdarstellung im Netz neue Ebenen. Denn der ganze Witz des zugegebenermaßen augenzwinkernd präsentierten Projekts besteht darin, anderen ein Leben vorzuspiegeln, das man überhaupt nicht führt. Also nicht: zu überziehen und sich selbst überzuverkaufen, sondern tatsächlich völlige Lügengeschichten darzubieten. Nutzer können von der heimischen Couch aus checken, was in verschiedenen Rubriken in ihrer Umgebung an Abendunterhaltung geboten ist - Parties, Konzerte, Kulturveranstaltungen, das volle Programm. Daraus wählen sie einen Vorschlag und lehnen sich dann zuhause mit der Chipstüte in der Hand zurück, während CouchCachet als virtueller Lügenonkel in ihrem Namen ihren Abendverlauf erfindet und postet.

Da gehen dann Lyrics und Kommentare zu der tollen Indie-Band, die sie gerade sehen, live. Fotos von der Crowd und hübschen Mädels, die sie angeblich gerade treffen würden, Tipps dazu, welches Essen ihnen im Geheimtipp-Lokal gerade besonders gut schmecken würde. Bemerkungen zur Austellung, zur Hiking-Tour oder anderen Freizeitaktivitäten, die komplett erfunden sind. Alles schön mittels gefaktem Location-Check-In "verifiziert". "Life. Without the hassle of living" lautet der Claim dazu.

Den Satz bitte sacken lassen.

Picture although it didn't happen

CouchCachet dreht die ohnehin gern mal kritisierte Selbstdarstellung auf die Spitze. Wo es in der Party-Studentenszene zu ihrer unablässigen Selbstdokumentation via Instagram, Facebook & Co. hieß "Picture or it didn't happen", gibt es hier die Bilder und Belege, ohne dass überhaupt was passiert ist. Picture although it didn't happen. The Man who wasn't there als virtuelles Partytier und Typ mit erfüllter Freizeitgestaltung. (Das wäre dann der richtige Filmtipp für die Couch Potatoes als ihr tatsächliches Programm.)

So sehr das im ersten Moment zum Lachen ist, so sehr sollte es einem danach im Hals stecken bleiben. Wir sind hier nicht mehr an dem Punkt, an dem Menschen Dinge tun, um dann damit posieren zu können oder ihr Leben quasi durch die Kameralinse ihres Smartphones wahrnehmen. Wir sind hier an dem Punkt, an dem das Posieren wichtiger ist als das tatsächliche Erleben, um genau zu sein, der einzige Zweck. Auf Konzerte oder in Restaurants gehen, damit man anderen erzählen kann, was für ein tolles Leben man führt. Und dann sogar: Diese Besuche erfinden, nur um sich interessant machen zu wollen.

Denn Teil von CouchCachet ist auch eine Übersichtsmail am nächsten Tag, was der Nutzer denn angeblich so getan hätte. Genau wie der Abgleich der gewählten Locations mit denen, die Freunde bereits besucht haben. Beides soll das Auffliegen der Lügennummer verhindern.

Normalerweise denken Menschen an etwas anderes, wenn sie von virtuellem Leben reden.

Natürlich ist das augenzwinkernd. Natürlich ist das eher für Menschen gedacht, die zwischendurch nicht langweilig wirken wollen, auch wenn sie die Schnauze voll haben und einfach nur daheim bleiben möchten. Natürlich soll das zumindest empfundenen sozialen Druck abmildern - genau wie dieser Unfug aus Brasilien, bei dem sich Facebook-User virtuelle Partner mieten können, die dann via Postings Flirts, Verflossene oder laufende Beziehungen mimen.

Aber der Punkt ist: Hier verformen sich Menschen, um zumindest denen von ihnen vermuteten Erwartungen zu entsprechen. Social Media sollte aber bereichern, nicht fesseln. Wer via vollautomatisiertem Foursquare-Münchhausen ein virtuelles Privatleben bucht, präsentiert ja aber nicht mal mehr eine idealisierte Form seiner Selbst. Sondern eine, der die reale Grundlage komplett abgeht. Ein virtuelles Leben, dass sie dann an soziale Interaktionen übertragen wollen. Damit dienen ihnen Social-Media-Kanäle aber nicht mehr zum Ausdruck ihrer Selbst, auch nicht zum Ausdruck des Wunschbilds ihrer Selbst. Sondern als Maske, mit der sie pflichtschuldig externe Klischees erfüllen wollen. Mit Freiheit hat das jetzt nicht gerade zu tun. Auch nicht mit selbstbewußtem und eigenständigem Leben dank neuer, "demokratisierender" Technologien. Sonderlich aufgeklärt und erwachsen wirkt es erst recht nicht. Ohnehin stellt sich die Frage: Hat jemand, der seinen Freunden ein Leben vorlügt, überhaupt welche?

Nennt mich altmodisch, aber ich bin eher dafür, dass Menschen mehr Zeit darauf verwenden, sie selbst zu sein statt darauf, ein externes Klischee vorzuspiegeln.

Den Typen auf der Couch mögen ja manche für eine traurige Gestalt halten. Derjenige, dem Erlebnisse nur wichtig sind, damit er nach außen nicht langweilig wirkt, ist aber ehrlich gesagt trauriger.



(Via Pando Daily)


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