Ein kleines Gedankenspiel rund um
TV-Events, Social Media, Schattentheater und Erkenntnisgewinn – wie gut funktioniert
eigentlich die sozialmediale Vermittlung von TV-Realität? Wie viel von dem, was auf dem Bildschirm geschieht, erkennen wir, wenn wir nur die Schatten sehen, die etwas auf Twitter und Facebook wirft?
Als kurzer Einstieg: Wenn wir ehrlich
sind, dann heißt Social TV in Deutschland meist, dass rund
um TV- und Sport-Events auf Twitter die Timelines glühen. Der Enkel
des früheren Straßenfegers ist der Hashtag-Stau auf der
Datenautobahn. Rund um die Ausstrahlung bestimmter Formate
kommentiert Twitter-Deutschland das lineare Bildschirmgeschehen, gibt
Dialoge, Beschreibungen, Kommentare zum besten.
Was passiert, wenn man Twitter-Timelines als Skript für ein Schatttentheaterstück nutzt? Bild: R. B. / pixelio.de |
Vom Tatort mal
abgesehen gelingt das Auslösen derartiger Resonanz aktuell gerade RTL besonders gut mit seinen
Brot-und-Spiele-Formaten Ich bin ein Star- Holt mich hier raus!
(Kürzer #ibes oder Dschungelcamp) oder Bachelor (wird durch Hashtag
weder kürzer noch besser). Rund um deren Ausstrahlung kann man
keinen Blick in seine Timeline werfen, ohne über Kommentare dazu zu
stolpern.
Die Frage, die mir da nun in den Sinn
gekommen ist, lautet: Wie viel vom TV-Geschehen bekommt man
eigentlich mit, wenn man – ohne diese Shows anzusehen – nur den
Schatten betrachtet, den sie sozialmedial werfen? Wie sähe das
Ergebnis aus, würde man nur aus den Kommentaren, getwitterten
Dialogzeilen und Beschreibungen eine Animation oder andere Art von Bewegtbild erstellen und anschließend mit dem Original vergleichen? Wie nahe wäre man dran bei
der Adaption auf Grundlage der Netzresonanz?
Mich würde, rein als Experiment,
wirklich interessieren, was dabei herauskommt, wenn man mit Twitter
als crowdgesourctem Stückeschreiber gewissermaßen ein Schattentheater inszeniert.
Und das dann mit dem Original vergleicht.
Was erkennen wir, wenn wir nur Schatten sehen?
Vielleicht sollte man es tatsächlich auch ganz praktisch als Schattentheater, Schattenspiel umsetzen. Das wäre zum einen in der Umsetzung nicht ganz so aufwendig, zum anderen würde es auch einen schönen Kontrast zwischen dem ästhetischen Anspruch von Original und Adaption darstellen.
Verstehen wir, was passiert, wenn wir nur Schatten
sehen? Werden der Kern, das Wesen dessen, was sich
abspielt, transportiert? Oder verzerren die Schatten zu sehr, bleibt
zu viel im Dunkel? Vermutlich dürften manche Figuren plastischer werden, andere fast verschwinden. Interessant wäre, ob die Dramaturgie sichtbar wird, wieviel der medial inszenierten Wirklichkeit (denn die Formate sind ja auch dramaturgisch verformt und bilden nicht 1:1 das tatsächliche Geschehen ab) im Schattenspiel bestehen bleibt. Oder ob nur kontur- und kontextlose Schemen dabei herauskommen, ein absurdes Theater.
Es wäre eine Art Test, wie gut
sozialmedial vermittelte TV-Realität funktioniert, oder ganz allgemein die Informationsübertragung über Medienebenen hinweg. Bei
Fußballspielen, anderen Sportveranstaltungen oder auch manchen Dokus
reicht der crowdgesourcte Liveticker im Netz ja oft aus, um das
Geschehen nachvollziehen zu können.
Das sind aber klar in
Informationseinheiten einteilbare Ereignisse. Hier ginge es darum, wie gut das bei Fiction oder Pseudo-Reality-Formaten funktioniert. Die genannten RTL-Shows würden sich aufgrund ihres Leuchtturmcharakters eignen. Zu ihnen gibt es genug
Resonanz, genug Abstrahlung im Netz. Zum anderen hätte es einen gewissen Witz, anhand von anspruchslosen Trash-Formaten erkenntnistheoretische Experimente durchzuführen.
Das Zwinkern der Höhlenbewohner
Der ein oder andere mag sich an Platons
Höhlengleichnis erinnert fühlen, wenn ich von Schatten, dem
Vergleich mit der eigentlichen Wirklichkeit und Erkenntnisgewinn
rede. (Wir Menschen sehen nur Schatten der Wirklichkeit, brutalstmöglich verkürzt. Kompletter Text hier.) Das hakt allerdings insofern, dass Dschungelcamp oder Bachelor
wohl denkbar ungeeignete Subjekte sind, um in ihnen tiefere Wahrheiten zu finden. Mal abgesehen von den Untiefen der menschlichen Natur und
den Dingen, die Menschen bereit sind, für Geld oder
Bildschirmpräsenz zu tun.
(Zudem tue ich mir schwer damit, in diesem
Bild diejenigen, die gefesselt und bewegungsunfähig im Dunkeln nach
vorne starren, ausgerechnet in denen zu sehen, die nicht vor dem
Fernseher sitzen.)
Nichtsdestotrotz: Ziel der Übung wäre Erkenntnisgewinn.
Fühlt sich denn wer berufen, das mal
auszuprobieren? Ich kann nicht wirklich Animationen erstellen. (Und
eigentlich will ich mich auch nicht durch Folgen von Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!
oder Bachelor quälen, würde das aber zugunsten des
Experiments auf mich nehmen.)
Verwandte Artikel:
Miriam
Meckel und die magische Glastür - Unsere Faulheit ist schuld, nicht
Google
Das Leben nach dem Tod in Social Media
Netzespresso: Like-A-Hug - Physisches Knuddeln mit der Facebook-Jacke
Wir Selbstdarsteller: Social Media und soziale Interaktion
Die galoppierende Zwangs-Sozialisierung des Webs geht mir auf den Keks Oder Ich will Socken nicht teilen
Das Leben nach dem Tod in Social Media
Netzespresso: Like-A-Hug - Physisches Knuddeln mit der Facebook-Jacke
Wir Selbstdarsteller: Social Media und soziale Interaktion
Die galoppierende Zwangs-Sozialisierung des Webs geht mir auf den Keks Oder Ich will Socken nicht teilen
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen