Sonntag, 21. Oktober 2012

Netzespresso: Like-A-Hug - Physisches Knuddeln mit der Facebook-Jacke

Bei Social Media und sozialer Interaktion merken Kritiker ja immer wieder an, dass die physische Komponente fehle, der Austausch nur in der Ferne des digitalen Raums geschehe. Ein Projekt der Tangible Media Group des MIT Media Labs will nun die Brücke zwischen der Facebook- und der physischen Welt sein: Like-A-Hug

Dahinter verbirgt sich eine mit dem Netz verbundene Jacke, die sich aufpumpt und ihren Besitzer mal kräftig drückt, wenn jemand seine Facebook-Aktivitäten liked. (Das Aufpumpen kann man sich analog zu einer Rettungsweste vorstellen.) So lässt sich Social-Media-Flausch tatsächlich spüren. Drückt der Träger die Luft aus seiner Jacke, kann er den Like-Drücker sogar zurück knuddeln - entsprechende Jacke vorausgesetzt.



Quelle: http://www.melissakitchow.com/Like-A-Hug

Man könnte fast denken, die VZ Netzwerke waren mit ihrem "Gruscheln" einfach zu früh dran. (Das kann aber schon deshalb nicht stimmen, weil man VZ einiges vorwerfen kann, bei irgendwas zu schnell gewesen zu sein, gehört aber definitiv nicht dazu.)

Like-A-Hug ist nicht das erste Projekt, das den physischen Graben überwinden will. Marco Triverio hat bereits Touchscreen-vermitteltes Händchenhalten für durch Entfernung getrennte Paare als Projekt  vorgestellt. (Ja, es gibt eine App dafür. Das heißt: FeelMe ist zumindest geplant.) Und von Hiroshi Ishiguro stammt das Hugvie, ein Avatar-Kissen, das den Herzschlag eines Smartphone-Anrufers simuliert. (Selbst ohne den Namen müsste ich nicht erwähnen, dass das aus Japan kommt, oder?) 

Massenmarktpotenzial hat das natürlich so wenig wie Like-A-Hug, das auch eher ein Kunstprojekt als ein Produkt darstellt. Wir müssen uns also keine Sorgen machen, künftig in der Stadt lauter sozialmedial aufgeblasenen Leuten zu begegnen. (Also, äh, ihr versteht schon. Das Potenzial an Aufgeblasenheit bleibt halt zumindest gleich.)

Dabei ist dieses Überwinden des Grabens jenseits von Notifications und Vibrationsalarmen durchaus interessant. Generell betrachtet. Eine sensorische Brücke, die weitere Verwebung von digitalem und physischem Raum, ist als Gedankenspiel schon interessant. Auch zur stückweisen Behebung der Kanalreduktion, die bei der Kommunikation über Online-Medien noch herrscht. (Wir haben meist nur Text, Symbole vielleicht Bilder. Da fehlen einige Informationskanäle, die es in Face-to-Face-Interaktion gibt - Tonfall etwa, auch Gestik und Mimik.) Um wirklich durchzuschlagen, bräuchte es natürlich ein paar Modifikationen. Einen an der Jacke fest angebrachten, nach gleichem Konzept funktionierenden Schal oder Nierentaschen etwa.

Denn wie bei Facebook gilt auch hier, dass sich eigentlich unterschiedliche Gefühls- und Gemütszustände ausdrücken lassen müssten, nicht nur ein Daumen Hoch. (Nicht jedes Like ließe sich überhaupt mit Knuddeln in die reale Welt übersetzen. Manches wäre ein Lachen, ein kurzes Schulterklopfen, vielleicht auch ein Nicken. Oder ein "Passt schon", zur Kenntnis genommen.) Trauer, Mitgefühl, Widerspruch, Zorn, das lässt sich alles nur über Text ausdrücken, nicht über Buttons.

Und mit Blick darauf, wie manche Online-Interaktion so abläuft, muss man sagen: Zorn ausdrücken, das hätte doch Potenzial: Einen nervigen Troll für Flamer-Kommentare remote mal kurz würgen können. Der Button dafür muss ja nicht Vader-förmig sein, es gibt sicher genug andere Dislike- oder STFU-Iconvarianten. Oder einem ab dem dritten Beitrag die Kommentare hijackenden Spammer mal eben einen Nierenhieb mitgeben.

Für mehr zivilisierten Umgang miteinander im Web wäre das vermutlich effektiver als Klarnamenzwang.



Via
http://searchenginewatch.com/article/2215550/Wearable-Social-Media-Jacket-Rewards-Facebook-Likes-With-Hugs


Mein Kühlschrank, der Spion - Social Media als Plattform für zielfördernden sozialen Druck

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