Dienstag, 31. Januar 2012

Heveling und der digitale Graben – Sinnvolle Netzpolitikdebatten weiter Fehlanzeige

Den reichlich skurrilen Blut-und-Boden-Gastkommentar des CDU-Politikers Ansgar Heveling im Handelsblatt dürfte gestern so ziemlich jeder im Netz mitbekommen haben. An wem es vorbeiging: Der CDU-Mann erklärt darin den "digitalen Maoisten" den Krieg und ihren Untergang, sieht das Web 2.0 als "imaginäres Lebensgefühl einer verlorenen Generation" und glaubt ganz generell, dass das mit dem Internet wieder vorbeigeht, die Frage ist bloß, wie schädlich es vorher für die "realen Menschen" wird. Ganz nebenbei dichtet er noch das Motto der französischen Revolution auf Freiheit, Demokratie und Eigentum um.

So sehr es Getrolle des Handelsblatt war, das Ding online zu stellen und explizit mehr Kommentarmöglichkeiten einzuräumen als sonst – so klar waren auch die Gegenreaktionen: Viel Satire und Kopfschütteln auf Twitter, einige gute Artikel in Blogs und auf Mediensites. Und der unvermeidliche Hack von ansgar-heveling.de.

Nicht nur an Hevelings schrägem Text, auch an den Reaktionen zeigt sich deutlich: Wir haben noch immer einen tiefen digitalen Graben, über den hinweg so gut wie keine sinnvollen Netzpolitikdebatten möglich sind.


Wieso?

Weil der Spott auf Twitter oder Facebook und Google+ und die guten Online-Artikel kaum Heveling oder diejenigen erreichen werden, die seine Gedanken teilen. Denn, das geht in der Häme teilweise unter: Mit der Haltung repräsentiert er durchaus einen Teil der Bevölkerung. An und für sich dramatisch genug. Zudem: Der Mann ist nicht einfach ein Hinterbänkler, der die Backen aufbläst. Er ist immerhin einer von sechs Abgeordneten, den die CDU/CSU in die Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft" gesetzt hat.

Insofern teile ich nicht Thomas Knüwers Kritik dahingehend, dass das Handelsblatt Heveling missbraucht habe und vor sich selbst hätte schützen müssen. Wer in der Internet-Enquete sitzt, hat sich mit dem Netz gefälligst auseinander zu setzen und wer sich dann in der Form äußert, braucht sich über Gegenwind nicht wundern.

Hier zeigt sich aber auch das Auseinanderdriften:
Die Reaktionen werden ihn nicht erreichen, im Netz kam das Ganze auch erst richtig an, als der Artikel online stand.

Wer sich nach drei, vier #hevelingfacts-Witzen auf Twitter zufrieden zurücklehnt und denkt, damit sei die Arbeit getan, den muss ich enttäuschen. Online-Satire ist eine erste, keine abschließende Reaktion.

Das Lachen auf Twitter wird die Haltung von Leuten, die denken, das mit dem Internet geht wieder weg, nicht ändern. Und bei Menschen des Jahrgangs 1972 wie Heveling lässt sich das
a) nur begrenzt mit dem Alter wegerklären
b) nicht mit dem zynischen Argument, dass die halt sterben müssen, weil sie zu alt sind, beiseite fegen.

Dafür kann diese Politiker-Generation noch ein wenig zu lang Schaden anrichten.

Trotteln die Website wegnehmen ist kein erwachsenes Verhalten
Einige Reaktionen von Teilen dessen, was er als "Netzgemeinde" in Anführungszeichen setzt, tun der Sache aber auch keinen Gefallen. Konkret: Seine Site hacken und Blödsinn draufstellen ist weder eine erwachsene Reaktion noch – im Politikersprech gehalten – sonderlich hilfreich.

Stattdessen ist das so, als würde man bei einer Diskussion demjenigen, der nicht nur völligen Blödsinn erzählt, sondern einen auch noch beleidigt hat, als Reaktion den Schreibblock abnehmen und mit Penissen vollkritzeln.

Das kann man machen, es bringt einen aber nicht weiter und beweist ihm auch nicht, dass er Schwachsinn erzählt – es bestärkt ihn eher noch.

(Die eingestellten Texte waren im Allgemeinen geistreicher als hingekritzelte Penisse, aber ihr versteht, worauf ich rauswill.)
(Falls in den nächsten Tagen blödsinnige Texte und Peniskritzeleien auf diesem Blog erscheinen, sollte klar sein, woran das liegt.)

Denn wenn ihm die bösen digitalen Maoisten sein Eigentum – sprich, die Website – abnehmen, bestätigt das nur seine Ängste vor dem unbegreiflichen Internet.

Das liegt natürlich auch daran, dass die Netzgemeinde in etwa so homogen zusammengesetzt ist wie alles andere auch, das sich Gemeinde nennt. Hier fällt der Unfug einiger weniger nur schneller – weil das Thema von außen abstrakter wirkt – auf den Rest zurück.

Und in Teilen hat Heveling mit seiner Polemik vermutlich sogar wunde Punkte getroffen. Es gibt diejenigen, die alle anderen für Dinosaurier halten und "das Internet" als Lebensentwurf sehen. Was die überholte Dichotomie der realen gegenüber der virtuellen Welt von der anderen Seite aus aufrechterhält.

Uns fehlt der Mittelbau, wir haben zu wenige Brückenbauer.

Die dann notfalls auch die inhaltlich guten Texte ausdrucken, um sie Heveling & Co. per Post zu schicken. Oder den unter der Brücke sitzenden Troll wenigstens nicht noch füttern.

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