Fragt man TV-Konzerne nach Trends und ihren Plänen für die
Zukunft, fallen einhellig die Begriffe Multiscreen-Strategie (je nach Ehrgeiz
und mathematischer Begabung auch Second- oder Third-Screen-Strategie), Social
TV, interaktive Gestaltung oder IPTV.
Das hat nichts mit Ideenlosigkeit zu tun, es erkennt
vielmehr Realitäten: Der Anteil von Nutzern, die nicht nur Smartphone oder
Tablet besitzen, sondern auch während des Fernsehschauens in der Hand oder in
Reichweite haben, ist signifikant und wächst. Laut Bitkom surfen aktuell
bereits 77 Prozent der Internetnutzer während des Fernsehens. Wer sich zur Ausstrahlung von Formaten
wie Tatort oder Germany’s Next Topmodel mal bei Twitter & Co nach den
entsprechenden Hashtags umschaut, sieht, dass hier parallel eifrig im Netz
gequatscht und diskutiert wird. Social TV im Sinne von Netzbegleitung von
TV-Formaten durch die Zuschauer ist also Alltag und nicht wirklich auf eine
Zielgruppe beschränkt – es sei denn, jemand kann mir schlüssig belegen, dass
Tatortfans auch Topmodel schauen. Hier kaltblütiges verbales Sezieren von Opfern, dort gemütliche Krimiunterhaltung, das passt nicht zusammen.
Quelle: Microsoft |
Nachdem das Verhalten als solches belegt ist, stellt sich
die Frage: Wie das als Sender bedienen, was etabliert sich als Kanal, als
Plattform? Soll man mit eigenen Apps und Sites für einzelne Formate oder für
Sender versuchen, sich zu positionieren? Auf Social-TV-Plattformen wie
Couchfunk setzen? Oder sich auf Twitter und Facebook verlassen? Letzte Woche hat Microsoft (ja, Microsoft) seine Variante zu
diesem Thema ins Spiel gebracht: Die App SmartGlass.
Da diese mit der
hauseigenen Konsole Xbox interagiert und auch im Rahmen des Gamer-Events E3
vorgestellt wurde, hat das außerhalb der Gaming-Medien gar nicht so viel
Resonanz ausgelöst. Dabei ist der Ansatz auch für TV-Inhalte spannend. Das Mobil-Gerät als smarte Fernbedienung und Zusatzbildschirm
SmartGlass ist eine App, mit der das eigene Smartphone oder
Tablet zum weiteren Interaktionsgerät mit dem TV oder zum weiteren Bildschirm
wird. Also sowohl zur Fernbedienung für die Konsole, zum Eingabegerät als auch zum weiteren Screeen für die Begleitung und Erweiterung momentan gezeigter Inhalte. Das bietet interessante Möglichkeiten im Gaming-Bereich, ist aber nicht
darauf begrenzt. Denn langsam kommt die Xbox an den Punkt, den sie von
vornherein besetzen sollte: Ein hungriger Kasten, der alle anderen
Entertainment-Geräte im Wohnzimmer auffrisst und ersetzt. Online-Gaming geht
ohnehin, auch TV-Streaming-Inhalte und Musikdienst werden ausgebaut. Und der
Konsole wird zum Surfen eine eigene Variante des Internet Explorer spendiert.
So entsteht ein die verschiedensten Medieninhalte verfügbar machendes TV-Gerät, das auch zum Online gehen geeignet ist - mit dem Haken für TV-Hersteller, dass der Fernseher selbst dabei wieder eiskalt zum Bildschirm degradiert wird und seine eigenen Multimedia-Ambitionen mal schön vergessen soll - das läuft nämlich alles über die Konsole.
So entsteht ein die verschiedensten Medieninhalte verfügbar machendes TV-Gerät, das auch zum Online gehen geeignet ist - mit dem Haken für TV-Hersteller, dass der Fernseher selbst dabei wieder eiskalt zum Bildschirm degradiert wird und seine eigenen Multimedia-Ambitionen mal schön vergessen soll - das läuft nämlich alles über die Konsole.
Und die Xbox hat sich in Haushalten breitgemacht: Weltweit
stehen davon rund 67 Millionen in Wohnzimmern. Eine brauchbare Grundreichweite für
Multiscreen-Ansätze. Vor allem, weil im Unterschied zu den internetfähigen
TV-Geräten dank der Online-Multiplayer-Games die Wahrscheinlichkeit weit größer
ausfällt, dass das Gerät auch tatsächlich mit dem Internet verbunden ist. Das ist nämlich das schmutzige Geheimnis der
Erfolgsmeldungen über die bereits erreichte Zahl von internetfähigen TVs in
deutschen Wohnzimmern: Da stehen zwar viele, davon wirklich ans Netz
angeschlossen sind aber offenbar gerade mal 17 Prozent.
Die potenzielle Reichweite ist bei der Xbox-SmartGlass-Kombi demnach gegeben. Auch deshalb, weil Microsoft nicht versucht, die App auf Windows
Phone als Plattform zu beschränken. Denn dessen geringe Verbreitung ist
bekannt, und kein Mensch kauft sich ein neues Smartphone, weil er damit seinen
Fernseher steuern kann.
Denn das lässt sich via SmartGlass machen: Das Smartphone
oder Tablet wird zur Touch-Fernsteuerung für den Fernseher (gut, die Xbox, die
ihre Inhalte auf den Fernseher spielt). Kein Rumgefummel mit einem Xbox-Controller oder einer TV-Fernbedienung – großer Pluspunkt, wenn es um die
Bedienung von Internetanwendungen auf TVs geht. Kein kompliziertes
Tastenrumgefummel, keine Navigationskreuze. Tippen, wischen, fertig. Und gerade
für tatsächliches Browsing oder Texteingaben steht die einblendbare Tastatur
zur Verfügung – ein Prozess, der über normale Fernbedienungen nie so wirklich
Spaß macht.
(Und auch Microsofts Versuchen mit dem Windows Media Center
das Genick gebrochen hat. Im Endeffekt war das Media Center dann nämlich ein
notdürftig abgetarnter PC, der sich nur mit Maus und Volltastatur vernünftig
bedienen ließ.)
Mit dem Mobile-Gerät als Touchscreen-Fernbedienung ließen
sich viele Probleme der Steuerung von Internetinhalten auf Fernsehern umgehen.
Denn auch das bremst dieses Segment noch – es ist oft zu viel Gefummel.
Währenddessen, auf dem Tablet...
Während dann etwa ein Film oder eine Serienfolge läuft,
steht der Bildschirm des Touchgeräts für Zusatzinformationen, Chats mit
Freunden und ähnliches zur Verfügung. Wired erzählt vom Demo-Beispiel einer
interaktiven Landkarte, die zu einer Folge Game of Thrones
eingeblendet wird. Aber eine Sammelplattform für begleitende
Social-Media-Diskussionen sollte sich auch umsetzen lassen. Oder eben andere
Zusatzinfos über Charaktere, Schauspieler, etc.
Der Vorteil einer formatübergreifenden App ist
offensichtlich: Weniger Umstellung für die Nutzer, eine breitere Nutzerbasis,
weil sich nicht jeder explizit für dieses Programmformat eine App zieht,
sondern vielleicht interessehalber mal einen Blick aufs via SmartGlass
gelieferte Angebot wirft. Gleichzeitig folgt aus dem Multiscreen-Konzept idealiter eine höhere Bindung der Nutzer an den Content,
weil das Zweit- oder Drittgerät in ihrer Hand auch zum Hauptbildschirm passende
Inhalte ausliefert, statt dass sie da nur E-Mails checken. Zudem liefert es Rückkanäle und Austauschmöglichkeiten untereinander.
Das setzt freilich ein paar Dinge voraus: Zum einen muss
SmartGlass vernünftig funktionieren, gut ansprechbare Schnittstellen für diese
Zusatzinhalte bieten und tatsächlich zügig über alle Mobile-Plattformen
ausgerollt werden. Zum anderen müssen die Content-Anbieter auch tatsächlich
entsprechende Inhalte konzipieren und anbieten. Dass dieser Punkt nicht so
trivial ist, zeigen die Probleme, die Windows Phone hat – in der
Entwicklergunst ist es recht weit abgeschlagen. Dann bringt aber auch die
App-Plattform nichts außer einem anderen Konzept für die Steuerung des
TV-Geräts.
Sollte es jedenfalls funktionieren, wäre es interessant zu
sehen, wie es angenommen wird und was sich damit anstellen lässt – auch als
Wegbereiter für Lösungen, die die Xbox aus der Gleichung entfernen oder durch
andere Geräte ersetzen. Einzellösungen für bestimmte TV-Hersteller, bestimmte Sender, bestimmte Formate bleiben alle gezwungenermaßen kleinteilig. Eine breitere Auslieferung, die dann am Ende auch noch auf HTML5 aufsetzt und so leicht für weitere Plattformen adaptiert werden kann, birgt ein geringeres Risiko, sich in Kleinstaaterei zu verlieren.
Der Nutzer hat den zweiten Bildschirm in der Hand. Jetzt geht es darum, wie man diesen vernünftig mit einbindet. Und welche Lösung sich als Hub durchsetzt.
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