Anfang Oktober flatterte ein herziges Stück viraler Content durchs Netz. Ein handgeschriebener Brief eines Großvaters, der seiner Tochter verbal die Ohren langzog, weil diese ihren schwulen Sohn verstoßen hatte.
Das Ding habt ihr vermutlich irgendwo gesehen.
Kurz danach begann eine Diskussion darüber, dass Nullkommagarnix die Authentizität dieses Schriebs bestätigt, der von einer Modemarke ins Netz geschoben wurde, was Mediensites aber nicht davon abhielt, treuherzig darüber zu berichten. Eine Diskussion über "viral bullshit" (
Jeff Jarvis) und "The slippery slope between viral and true" (
Mathew Ingram). Angestoßen auf
Gawker, von Gawker-Gründer Nick Denton.
Davon haben die meisten vermutlich nichts mitbekommen. Und das skizziert gut einen Teil des Problems, um das es hier geht.
Bei der Diskussion auf Gawker zwischen Chefredakteur, zuständigem Redakteur und Gründer ging es darum, ob es zu rechtfertigen ist, Inhalt mit Viralpotential einfach nur um des Traffic willens aufzugreifen - oder ob es nicht die verdammte Pflicht von Redaktionen wäre, nur Verifiziertes aufzugreifen.
Es gab ein paar interessante Sätze dabei, etwa von Chefredakteur John Cook, über das Spannungsverhältnis sauberen Arbeitens versus Geschwindigkeit und Traffic:
"(...) we are tasked both with extending the legacy of what Gawker has
always been—ruthless honesty—and be reliably and speedily on top of
internet culture all while getting a shit-ton of traffic. Those goals
are sometimes in tension."
Oder vom zuständigen Redakteur, dessen Job viral beschaffter Traffic ist:
"People don't look to these stories for hard facts and shoe-leather
reporting. They look to them for fleeting instances of joy or comfort. (...)
Take a video I recently posted of a firefighter rescuing a kitten from a burning building.
That kitten later died — a fact I included in an otherwise
straightforward feel-good "cat video" post. That "oversharing" damaged
the virality of that post, as the top comment chiding me for providing
too much information clearly indicates.
You really can't have it both ways when it comes to viral content. If
you want to capitalize on its sharing prowess and reap the PVs that
come with that, then you simply can't take a hard-boiled approach to
fluff.
People are just not going to share a cat video of a dead cat."
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Ihr schaut euch diesen Text jetzt nicht ernsthaft wegen des Katzenfotos an, oder? Bild: Harald Schottner / pixelio.de |
Die vollständige Wahrheit wollen Menschen nicht hören, erst recht nicht teilen. Man könnte von Schrödingers Katzenvideo sprechen - es funktioniert nur, wenn die Menschen nicht wissen, dass die Katze tot ist. Im Unklaren gelassen werden.