Mittwoch, 15. Oktober 2014

Ab in die Kühltruhe - Facebook, Apple, Social Freezing und technische Lösungen für gesellschaftliche Probleme

Auf den ersten Blick wirkt es recht skurril: NBC News zufolge bieten Apple und Facebook ihren Mitarbeiterinnen künftig auch Social Freezing, also das Einfrieren von Eizellen, im Rahmen der Gesundheits- und Bonuspakete an. 

"Kinder kriegen und Karriere machen ist für dich als Frau nicht vereinbar? Dann leg doch ein paar Eizellen auf Eis und krieg' die Kinder später."

Eine technische Lösung für ein gesellschaftliches Problem. Was erwartet man sonst auch von Tech Companies? So gehen sie Probleme nun mal an.

Ganz so simpel ist es aber nicht.
 
Ganz so eindimensional, wie es in der weiteren Berichterstattung und Diskussion großteils rüberkommt, ist es ebenfalls nicht.

Bild: Claudia Hautumm  / pixelio.de

Die Diskussion entwickelt gerade zwei Pole: Den "Toll, wie fortschrittlich, das schafft Frauen echt Spielräume"-Pol und den "Was für eine durchtriebene Falle und ein völlig falsches Signal"-Pol.

Interessanter finde ich das Spannungsfeld dazwischen.

Es geht schon damit los, dass die Diskussion sich auf das Einfrieren von Eizellen als Angebot der Techies an Frauen fokussiert. Dabei geht fast überall unter, dass das keine singuläre Maßnahme darstellt, sondern als Option in den entsprechenden Benefit-Paketen der Unternehmen auftaucht.

Gerade bei Silicon-Valley-Größen gibt es inzwischen umfangreiche Benefit- und Perks-Programme, um Mitarbeitern Anreize jenseits des Gehalts zu bieten. Und, was man als Westeuropäer nicht vergessen darf: Die Amerikaner haben ein derart irrwitziges Gesundheitssystem, dass es in der Tat hochrelevant ist, welche Art von Gesundheitsvorsorge der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern anbietet und finanziert.
(Wir reden hier von einem System, in dem Unternehmen durchsetzen können, dass die Krankenversicherung ihrer Mitarbeiterinnen empfängnisverhütende Mittel nicht abdeckt, weil es die Religionsfreiheit der Firma einschränkt. "Corporations are people, too" und so.)

Die Übernahme der Kosten für das Einfrieren von Eizellen laufen bei Apple unter den Fruchtbarkeits-Boni (fertility benefits), bei Facebook unter denen für Leihelternschaft (surrogacy benefits). Bei Apple gehören Techcrunch zufolge zu diesen Benefits bereits Behandlungen gegen Unfruchtbarkeit, längere Auszeiten für Mütter - die USA haben keine nur annähernd vergleichbaren Elternzeit- oder Mutterschutzregeln - und ein Hilfsprogramm für Adoptionen.

Diese Einordnung fehlt mir bei den meisten Reaktionen gerade. 
(Sie würde ja auch den Zuschnitt auf das dystopische Technokratenbild erschweren, nicht wahr?)

Disruptive Technologien und gesellschaftliche Probleme

Was konkret geschieht, ist demnach: Apple und Facebook erweitern ihre Pakete von Leistungen, die sie übernehmen, um das Einfrieren von Eizellen. Als eine Option. Es wäre hochgradig schwierig, sich auf dieser einen technischen Lösung ausruhen zu wollen, aber bislang gibt's dafür für mich hier keine Belege.

Natürlich tun beide das nicht aus Menschenfreundlichkeit, sondern, weil sie Mitarbeiterinnen besser anwerben und halten wollen. Und weil sie beide auch schwer Handlungsbedarf aufweisen, was das angeht: Bei beiden arbeiten rund 70 Prozent Männer - deren Anteil auf der Führungsebene nochmal steigt. (Facebooks Zahlen hier, Apples Zahlen hier.)

Das liegt an einer ganzen Reihe von Gründen, nicht nur bei diesen beiden Unternehmen, sondern auch im größeren Kontext betrachtet, was den Frauenanteil auf der Führungsebene angeht. Das darf man nicht nur auf den Kinderfaktor begrenzen - aber er spielt eine Rolle. Aller Väterzeitmodelle zum Trotz fallen Mütter klassischerweise durch eine Schwangerschaft umfangreicher am Arbeitsplatz aus als Väter. Und das durchaus zu einem Zeitpunkt, der karrieretechnisch Relevanz besitzt. 

Die Chancen, die Social Freezing bietet, das biologische Fenster zu vergrößern, fand ich schon bei Carl Djerassis Vortrag auf der DLDwomen im letzten Jahr spannend. Nicht nur aus Karriereperspektive betrachtet, sondern generell für mehr Spielräume in der Lebensplanung.

Damals hab ich das hier so formuliert:
"Das gleiche gilt für Dinge wie den Vortrag zu Social Freezing, also das Einfrieren von Eizellen, von Carl Djerassi. Was das auf einer Innovationskonferenz zu suchen hat? Denkt mal über den gesamtgesellschaftlichen Impact der Pille nach. Und dann darüber, wie es sich potenziell auswirken könnte, wenn berufstätige Frauen routinemäßig über das Einfrieren von Eizellen das gängige Fenster für Schwangerschaften verlassen könnten. Denn das hat nach wie vor karrieretechnisch auf die Mütter einen größeren Einfluss als auf die Väter. Das disruptive Potenzial dieser Technologie ist enorm, die größere Unabhängigkeit von der biologischen Uhr schlägt jede Smartwatch bei weitem."

Mir ist aber gleichzeitig auch bewusst, dass das die Perspektive eines männlichen Technokraten darstellt. Generell würde ich mir hier keine umfassende Beurteilung herausnehmen wollen.

Option statt singulärer Lösung

Die Haltung der Kritiker will ich auch gar nicht abbügeln. Sicher stellt diese technische Lösung - "verschieb's einfach nach hinten" - kein Allheilmittel dar. Das behauptet aber auch keiner. Sicher gibt es noch große Baustellen beim Thema Gehaltsgefälle oder Flexibilisierung der Arbeitsbedingungen. (Das betrifft auch nicht nur Frauen, um das klar dazu zu sagen.) Und die werden dadurch nicht hinfällig, sondern bestehen weiter.

Natürlich verfolgen die umfangreichen Pakete, mit denen die Tech-Riesen Mitarbeiter umgarnen, auch ganz wesentlich das Ziel, das zufriedene Mitarbeiter besser und mehr arbeiten.

(Wenn der Masseur, der Shop, das Restaurant direkt auf dem Campus liegen, wieso soll der Mitarbeiter da weg? Wenn das Open Space Office so einladend gestaltet ist, warum die Mittagspause nicht unter Kollegen verbringen?)

Das gilt nur für andere Unternehmen ebenfalls und macht sie auch noch nicht schlecht. Das stellt eine Frage des Umgangs damit dar.

Nicht nur darin, ob das Unternehmen und seine Kultur Druck auf die Belegschaft ausüben, sich entsprechend zu verhalten, sondern auch, wie wir als Menschen damit umgehen. Das ist nur ein Thema, das weit über Facebook, Apple und Silicon Valley hinaus reicht. Aber ein wichtiges, mit dem man sich beschäftigen sollte.

Natürlich wäre entsprechend ausgeübter externer Druck negativ. Das heißt aber nicht, dass Social Freezing als solches aus der Hölle kommt. Ich bleibe dabei, dass es als Ansatz eine Hilfe für diejenigen sein kann, die vor dem Problem stehen, dass ihnen gefühlt die Zeit davon läuft, der Zeitpunkt aber nicht passt. Wenn der entsprechende Kostenblock - so die Entscheidung selbst getroffen wurde - dann übernommen wird, stellt das klar eine Erleichterung dar. Es sollte nur nicht das einzige Angebot sein.

(Und kommt mir jetzt bitte nicht mit Natürlichkeiten. Die Grenzen dessen, was uns eigentlich biologisch vorgegeben ist, auszudehnen, stellt eine ganz wesentliche Triebfeder der Menschheit dar.)

Natürlich braucht es aber auch ganz andere Änderungen in der Art, wie Arbeitskultur & Co. gerade gestrickt sind. Damit gehen wir nur schon eine ganze Weile schwanger, das stellt einen langwierigen Prozess dar. (Was für jegliche Form von gesellschaftlicher Änderung gilt.) Und es wird auch noch weiterhin dauern, bis sich Unternehmens- und Führungskulturen wirklich für Flexbilisierung erwärmt haben.


Ich finde, Schritte in die richtige Richtung können dabei helfen. So man dort nicht stehen bleibt. So Optionen Freiheiten schaffen, nicht neuen Druck, finde ich sie immer begrüßenswert.




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